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Es war einmal ein Mord: Ein Hänsel und Gretel-Krimi (German Edition)

Es war einmal ein Mord: Ein Hänsel und Gretel-Krimi (German Edition)

Titel: Es war einmal ein Mord: Ein Hänsel und Gretel-Krimi (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: P. J. Brackston
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gekauert und bewegte den sonderbar missgebildeten Kopf von einer Seite zur anderen. Dabei gab sie ein leises, bedrohliches Brummen von sich.
    Gretel, die sich bis zu diesem Moment für ziemlich erschöpft gehalten hatte, spürte, wie Angst und Erregung sie erfassten und ihren Körper mit allem versorgten, was er zu einer Flucht benötigte. Sie biss die Zähne zusammen, nicht nur, um die eigene Furcht zu bezwingen, sondern auch, um den immer stärkeren Gestank auszuhalten, und bemühte sich um einen ruhigen Tonfall.
    »Äh   … grüß Gott«, sagte sie. »Ich hatte gehofft   … äh, kurz mit Euch sprechen zu können. Falls Ihr nicht zu beschäftigt seid.«
    Das Grollen verwandelte sich in eine tiefe, ernste Stimme, dazu angetan, auch das aufgedrehteste und widerspenstigste Kind ins Bett zu jagen.
    »Troll dich beobachtet«, sagte das Wesen, und seine Worte ritten auf seinem übelriechenden Atem. »Troll dich gesehen den Berg runterpurzeln und runtertrampeln.« Der Troll trat einen Schritt näher und zog dabei einen Fuß nach. Seine Armehingen tief herab, und der Kopf drehte sich mal hierhin, mal dorthin. »Groß Frau«, sagte er. Eine überflüssige Bemerkung, soweit es Gretel betraf. »Viel groß Frau.«
    »Ja, ziemlich. Gut, das hätten wir. Also   …« Gretel stockte und tastete nach ihrem Geld. Sie zog einen kleinen Beutel mit Münzen hervor und klimperte damit, so verlockend sie nur konnte.
    Der Troll zeigte nicht das geringste Interesse, watschelte aber humpelnd einen Schritt weiter. In diesem Moment fiel Licht durch ein Loch in der Brücke über ihnen auf das Gesicht des Trolls. Gretel brauchte all ihre Willenskraft, um den Schrei puren Entsetzens zu unterdrücken, der sich in ihrer Kehle aufstaute. Sie hatte schon einige ziemlich hässliche Dinge gesehen, aber nichts hatte sie auf das Übelkeit erregende Gesicht des Trolls vorbereiten können. Es hatte eine gallegrüne Hautfarbe und bestand aus einem kurzen, breiten Rüssel, zwei Schweinsäuglein, einem großen, sabbernden Mund und einer Unmenge an Pusteln und Pickeln. Zwei Hauer ragten zwischen den schlaffen Lippen hervor. Das Haar war verfilzt und weiß und stand ihm in dicken Büscheln vom Kopf ab. Die Ohrläppchen waren lang und wurden von formlosen Elfenbeinstücken herabgezogen. Gekleidet war er in ein schmuckloses Ding aus Schafsleder, das ganz aus eigenem Antrieb zappelte und glänzte. Die knorrigen Arme des Trolls endeten in zweifingrigen Händen. Ein breiter Gürtel in der Leibesmitte verlieh der Kreatur wenigstens ein bisschen Form, hatte aber den unerfreulichen Effekt, den prallen Hosenbeutel zu betonen. Kurze, stämmige Beine und große, schmutzige Füße vervollständigten die grausige Erscheinung.
    Der Troll trat näher, blinzelte Gretel kurzsichtig an und beschnüffelte sie von Kopf bis Fuß, wobei er ihr beängstigend nahe auf die Pelle rückte.
    »Groß Frau. Groß-fett Frau«, sagte er wieder, und seine Stimme war heiser vor Begierde.
    Die Geschwindigkeit, mit der Gretel sich bewegte, verblüffte sogar sie selbst. Binnen eines rheumatischen Lidschlags hatte sie auf dem Absatz kehrtgemacht, eilte an der anderen Seite der Brücke davon und flüchtete zurück zum Pfad, so schnell ihre schmerzenden Beine sie trugen.
    Aber sie war kein Gegner für den Troll. Der brauchte nur zwei Sätze, um sie zu überholen und ihr den Weg zu verstellen. Gretel geriet auf dem steinigen Boden ins Rutschen und krachte schwer auf ihr pralles Hinterteil, direkt vor den widerlichen Füßen des Trolls.
    »Groß-fett Frau bleibt«, grollte er. Dann, den Kopf beinahe kokettierend zur Seite geneigt, fügte er hinzu: »Groß-fett Frau trinken will?«
    Seit Gretel zum letzten Mal Ziel einer Anmache gewesen war, waren Jahre vergangen, aber selbst in ihren Augen war dies ein jämmerlicher Versuch eines wenig attraktiven Herrn. Andererseits schien ein Drink keine so schlechte Idee zu sein, wenn man bedachte, dass ihre Chancen, dem Troll davonzulaufen, gegen Null tendierten und sie eindeutig Zeit brauchte.
    Also ließ Gretel sich in die Behausung des Trolls führen. Der Gestank lag so schwer in der Luft, dass sie schlucken musste. Der einzige Raum war aus dem Berg gehauen worden, und er war fensterlos, luftlos und stickig. Der Troll zündete zwei Talgkerzen an und signalisierte Gretel, sie möge sich auf einen der kleinen Holzhocker vor dem glimmenden Feuer setzen. So kräftig der Troll auch gebaut war, er war nicht größer als sie. Dennoch musste er sich unter der

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