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Es war einmal ein Mord: Ein Hänsel und Gretel-Krimi (German Edition)

Es war einmal ein Mord: Ein Hänsel und Gretel-Krimi (German Edition)

Titel: Es war einmal ein Mord: Ein Hänsel und Gretel-Krimi (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: P. J. Brackston
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Zeichen meiner Dankbarkeit für Eure Kooperation und Euer ritterliches Benehmen mitzubringen.«
    »Mehr Finger?«
    »Ja. Ein Finger mehr.«
    »Gib Troll!«, forderte er in einem Ton, der verriet, dass er keineswegs überzeugt war.
    »Ich habe ihn nicht bei mir. Ich habe ihn an einem sicheren Ort zurückgelassen.«
    »Wo ist er?«
    »Ein Stück den Weg zurück. Wir können gleich hingehen, Ihr und ich, und dann gebe ich Euch den Finger. Wie hört sich das an?«
    Eine endlose Minute lang sagte der Troll nichts, kratzte sich nur an seinem mit Fisteln überzogenen Kinn und blickte zur Decke, als suche er in dem Moos und den Algen, die dort wucherten, nach Antworten. Endlich nickte er. »Groß-fett Frau führen Troll zu Finger«, sagte er.
    Inzwischen war es stockdunkel. Ein Himmel voller dunkler Wolken, die von dem vorangegangenen Unwetter übrig geblieben waren, ließ nur wenig Mondlicht durch. Der Troll indes schien kein Licht zu benötigen, um den Weg zu finden, und trampelte voraus, während Gretel Mühe hatte, den Anschluss nicht zu verlieren, und immer wieder auf dem unebenen, feuchten Pfad stolperte. Sie dirigierte den Troll zu der Stelle, an der sie früher am Abend tatsächlich den zweiten, sicher verpackten Finger zurückgelassen hatte.
    Der Troll wühlte unter den schlammigen Steinen. Einen schrecklichen Moment lang fürchtete Gretel, dass irgendein Aasfresser den Körperteil entdeckt und die Gratismahlzeit genossen hatte. Nach einer quälend langen Zeit grunzte der Troll verzückt. Er wickelte das Wachspapier ab und hielt den Finger hoch, prüfte ihn mit den Zähnen, als wollte er sich von der Qualität einer Goldmünze überzeugen.
    Im Stillen gratulierte sich Gretel zu ihrem brillanten Plan   – sie wusste, es würde sich auszahlen, noch einen Finger im Ärmel zu haben. Sie wusste auch, dass die Wahl des richtigen Zeitpunkts von größter Bedeutung war. Schon war sie dabei, zurückzuweichen. Nur zu gut erinnerte sie sich daran, wie schnell der Troll werden konnte. In der Hoffnung, dass die Kreatur vielzu fasziniert von ihrem neuen Fang sein würde, um mitzubekommen, wie sie in die Nacht verschwand, hatte Gretel sich ebendiese Stelle ausgesucht, weil keine Minute entfernt ein hervorragendes Versteck war. Sie konnte der Kreatur niemals davonlaufen, aber sie konnte sich verkriechen und warten, bis der Troll die Sucherei nach ihr leid wurde. Und sie war ziemlich sicher, dass er begierig darauf wäre, seinen kostbaren Finger in der Kiste mit seiner Sammlung unterzubringen, und dass diese Begierde, so der Himmel wollte, jedes flüchtige Interesse überlagern würde, das er Gretel gegenüber hegen mochte.
    Nun, da sich zwischen ihr und der ekelhaften Kreatur ein kleiner, aber bedeutsamer Abstand befand, riskierte sie es, kehrtzumachen und schneller davonzueilen. Die Stille hinter ihr deutete darauf hin, dass der Troll sich immer noch in der liebevollen Bewunderung des geschätzten Objekts seiner Begierde verlor. Gretels linker Fuß traf zielgenau eine dicke Schlammstelle, schoss voran und verlängerte ihren Schritt auf eine widernatürliche und schmerzhafte Art. Sie keuchte und zwang sich, nicht aufzuschreien. Doch schon stürzte der Troll brüllend hinter ihr her und warf sich voran. Direkt hinter ihr krachte er zu Boden und umklammerte ihr rechtes Fußgelenk mit seiner Klaue. Gretel schrie. Der Troll brüllte erneut, sprang auf und hielt immer noch ihr Bein fest, sodass es auf eine Weise in die Luft gerissen wurde, die für Gretel ebenso würdelos wie unbequem war.
    »Lass los!«, kreischte sie. »Lass mich los!«
    Der Troll achtete nicht auf ihr Flehen, zerrte sie stattdessen zurück zu seiner Behausung. Gretel hüpfte über scharfkantige Steine und durch kalten, ekelhaften Schlamm, die Röcke bis unter die Achseln gerafft, während ihre Unterwäsche in Fetzen gerissen wurde. Sie verfing sich in Sträuchern und anFelsbrocken, an denen sie vorübergeschleift wurde, aber alle waren zu nass und schlüpfrig, um sich an ihnen festzuhalten.
    »Hör auf, du Unhold! Lass mich sofort los!«, gellte sie in jenem Schluss-mit-dem-Unsinn, Tu-was-ich-sage-Tonfall, den sie üblicherweise zur Anwendung brachte, wenn sie Hänsel in trunkenem Zustand vor sich hatte. Doch es half nichts.
    »Groß-fett Frau bleiben bei Troll!«, beharrte er. Das beträchtliche Gewicht seiner Beute schien er gar nicht zu spüren.
    Gretel war kurz davor, aufzugeben und das schreckliche Schicksal anzunehmen, das sie zu erwarten schien, als sie ein

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