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Es war einmal eine Familie

Es war einmal eine Familie

Titel: Es war einmal eine Familie Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lizzie Doron
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aus.
    In der zweiten Woche des Kriegs fiel Zvika Schtigman.
    Nach der Schiwa schloß sich Malka ihrem Vater an. Er murmelte weiter vor sich hin, er würde nie Ruhe finden und nie vergessen, und sie saß neben ihm auf dem Eisenbett, starr und stumm.
    Und Chava zog wie üblich am frühen Morgen los, um den Lebensunterhalt für die Familie zu verdienen. »Blumen, Blumen«, rief sie mit gebrochener Stimme, aber die Kunden wichen verlegen zurück, und ihre Ware blieb auf dem Dreirad. »Man kauft keine Blumen von einem glücklosen Menschen, das bringt Unglück«, flüsterte man sich im Viertel zu.
    Malka blieb an der Tür stehen. Ich schaute sie an. Es schien, als wären seit unserer letzten Begegnung keine zwanzig Jahre vergangen. Sie trug Jeans und ein blaues T-Shirt, ihre braunen Haare fielen über ihre Schultern, sie sah aus, als komme sie gerade aus der Schule. Ihre jugendliche Gestalt brachte für einen Augenblick unsere Kindheit zurück.
    Als Malka die beiden Gäste bemerkte, die zur Tür spähten, begrüßte sie sie mit einem Lächeln. »Guten Tag, Sonia«, sagte sie zu der Großen und zu der Kleinen: »Guten Tag, Genia.«
    »Malkale«, rief Genia erfreut. »Schön, daß du gekommen bist.« Sie musterte Malkale und fügte hinzu: »Es gibt keine wie dich.«
    »Unsere Malkale kommt immer als erste zu jeder Schiwa«, erklärte sie mir und zwickte Malkale zärtlich in die Wange. Ich antwortete nicht, hoffte aber, die beiden Alten würden gehen und mich mit Malka allein lassen.
    »Jetzt bist du ja nicht mehr allein, deshalb gehen wir«, verkündete Sonia, die meinen Wunsch offenbar erahnt hatte, und zog ihre Freundin Genia Richtung Treppe.
    »Aber wir kommen wieder, wir kommen später noch mal«, versprach Genia, bevor sie hinuntergingen.
    Malka und ich blieben allein an der Tür zurück.
    »Es tut mir leid«, sagte Malka. »Ich hatte sie sehr gern.«
    Dann entschuldigte sie sich: »Ich will dich nicht stören, ich kam nur gerade zufällig vorbei.«
    Ich fing mich wieder. »Aber Malka, komm doch herein.«
    Bevor wir uns setzten, streifte Malka durch die ganze Wohnung und schaute in jede Ecke. Manchmal seufzte sie.
    »Alles ist wie damals«, sagte sie leise, schloß die blauen Augen und zählte eine lange Reihe vertrauter Namen auf. Sie vergaß keinen. Aus ihrem Gedächtnis holte sie die Namen der Toten und der Lebenden. »Wir waren einundvierzig Kinderdes Jahrgangs 1953«, sagte sie. »Und heute lebt nicht ein einziger von uns mehr im Viertel.«
    Wieder seufzte sie, dann schwieg sie.
    Ich suchte einen Weg aus dem Schweigen. »Und wie geht es dir heute?«
    »Ich bin verheiratet und habe zwei Kinder«, antwortete sie. »Was machst du, was macht dein Mann?« erkundigte ich mich.
    »Mein Mann hat eine Autowerkstatt, und ich bin Sekretärin in einer Rechtsanwaltskanzlei. Wir führen ein Leben wie alle, ein normales Leben«, antwortete sie, und ich bemerkte, daß sie beim Sprechen auf ihre Uhr blickte, eine alte, schwere Herrenuhr, die nicht zu ihrem schmalen Handgelenk paßte, und die Hände rang.
    Plötzlich schaute sie mich mit ihren blauen Augen scharf an. »Erinnerst du dich an meinen Zvika, Zvika Schtigman?« fragte sie.
    »Ja, ich erinnere mich«, erwiderte ich mit erstickter Stimme. »Das ist seine Uhr«, sagte sie.
    Mir stockte das Herz.
    Ich beugte mich vor und betrachtete die alte Uhr.
    Malkale strich liebevoll über das metallene Uhrband und sagte: »Jeden Freitagabend sind wir zum Schabbatessen bei seinen Eltern. Sie wohnen immer noch hier, am Ende der Straße.«
    »Wer ist wir?« fragte ich erstaunt.
    »Seine Schwester und ich«, antwortete sie.
    Ich riß die Augen auf. »Aber Malka, du hast einen Mann und Kinder, du hast eine Familie.«
    »Seine Mutter macht für uns Gefilte Fisch, Hühnersuppe mit kreplach , Hühnerschlegel, Püree mit Zwiebeln und Käsekuchen. Alles
     genau so, wie Zvika es mochte.« Sie rang wieder die Hände, die Grübchen in ihren Wangen wurden tiefer, ihreblauen Augen funkelten. Dann
     fügte sie in entschuldigendem Ton hinzu: »Ich muß gehen, sie warten bestimmt schon auf mich.« Sie ging zur Tür, blieb einen Moment stehen, wandte den Kopf
     zurück, schaute mich mit ihren blauen Augen scharf an und sagte laut und nachdrücklich: »Das ist meine Familie.«

    Ich blieb allein in der Wohnung zurück.
    »Leg die weiße Pessach-Tischdecke auf«, befahl mir meine Mutter, wie immer an Tagen, an denen wichtige Gäste erwartet wurden. »Fülle Butterkekse in die Kristallschale, nimm die

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