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Es war einmal eine Frau, die ihren Mann nicht sonderlich liebte

Es war einmal eine Frau, die ihren Mann nicht sonderlich liebte

Titel: Es war einmal eine Frau, die ihren Mann nicht sonderlich liebte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ljudmila Petruschewskaja
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in der Armee. Ein zarter Junge, liebevoll, gutherzig. Als er klein war, hatte man ihn immer im Hof verdroschen, später in der Schule gab es ebenfalls Probleme und Sadisten, nun war er Student, alles lag hinter ihm, er hatte Freunde gefunden, kluge, behütete Kinder wie er – und dann das! Morgen sollte er weggebracht werden.
    Der Mann selbst, der Vater, war nicht mehr jung, auch die Mutter war nicht mehr ganz jung, die beiden hatten sich im reifen Alter kennengelernt, und ihnen ward das Glück geboren, ein schöner, guter Engel, den seine Altersgenossen ihrer Meinung nach nicht zu schätzen wussten, wie ein wilder Stamm den ersten Propheten nicht achtet.
    Der Vater hatte bereits eine Tochter, die Alte, wie er sie nannte, und tatsächlich war sie nicht mehr die Jüngste, die Frucht einer frühen Verbindung, wobei die Mutter seiner Tochter elf Jahre älter war als er. Ihre Beziehung ging auseinander, als der Vater zweiundvierzig war, und die Mutter dreiundfünfzig. Ein schwieriges Alter für beide. Da traf der Vater die Liebe seines Lebens, diese Frau voller Zärtlichkeit, mit einem Wölkchen von Haaren auf dem goldenen Kopf, blauen Augen, eine neue Mitarbeiterin. Und alles war entschieden, und das Wunder kam zur Welt, ein goldgelocktes, zartes Baby, ein Engel. Und sie lebten etwas mehr als achtzehn Jahre zusammen, hielten sich aneinander fest, lebten noch ein zweites, zusätzliches Leben, immer in Sorge um den Jungen.
    Und die grausame Vergeltung traf sie tatsächlich, die Tränen und Drohungen der Exfrau und ihre Flüche wurden wahr (Du sollst all das durchmachen, was du mir angetan hast!).
    Der Vater verpasste das Flugzeug. Für den Flug am nächsten Morgen gab es keine Plätze mehr. Er bekam einen Teil des Geldes für das Flugticket zurück und stürzte zum Bus, fuhr zum Bahnhof und schaffte es, der Zugbegleiterin unter Tränen etwas zuzurufen, woraufhin sie zur Seite trat und ihn auf den bereits anfahrenden Zug springen ließ, dann in ihr Abteil, auf das obere Bett, wo er sich in dem furchtbar überheizten engen Raum bis zum Morgen quälte, bis der Zug ankam. Der Vater raste in die Wohnung, aber dort war niemand mehr, überall war Müll verstreut, der Telefonhörer lag auf dem Boden und tutete, und im Zimmer des Sohnes klaffte das ungemachte Bett wie nach einer Hinrichtung.
    Der Vater besann sich und brachte im Nachbaraufgang den Sammelpunkt der Rekruten in Erfahrung, im Nebenhaus wohnte ein Klassenkamerad des Sohnes, der ihn früher immer gequält hatte, aber das war jetzt egal. Dessen Großmutter sagte dem Vater, wohin er laufen müsse, all ihre Verwandten seien schon da, um ihr Jungchen nach der durchzechten Nacht zu verabschieden.
    Der Vater traf rechtzeitig ein. Der Junge marschierte gerade mit einer Truppe verkaterter, hässlicher, kichernder, niedergeschlagener Jungen ab.
    Er klammerte sich an den Ärmel seines Sohnes, fing an zu schreien und kam in Amerika wieder zu sich, in Gestalt des glücklosen Emigranten Grischa, der von seiner arbeitsamen Frau ein halbes Jahr, nachdem sie die Greencard bekommen hatten, verlassen wurde. Sie arbeitete als Putzfrau am Hafen in einem riesigen Supermarkt, und heiratete ihren Schulfreund, einen Professor. Sie hatten sich in diesem Hafen wiedergetroffen. Ein glücklicher Zufall! Grischa warfen sie weg wie einen Scheuerlappen.
    Im Augenblick unserer Erzählung war dieser gerade aus dem Irrenhaus entlassen worden, aus der Klapsmühle, wo er, ohne die Sprache zu verstehen, die ganze Zeit vor dem Fernseher gesessen und sich nicht in die wilden Streitereien eingemischt hatte, welcher Sender eingeschaltet werden solle; Grischa war nach dem dritten Selbstmordversuch dort eingeliefert worden.
    Eines Tages hatte er sich dort in einer armseligen Sprache, die er sich aus der Glotze angeeignet hatte, mit einem verrückten Schwarzen unterhalten, der ohne Unterlass schrie, er werde die Weißen umbringen, ganze zehn von diesen Stinkern hatte er schon umgebracht, das heißt, das behauptete er zumindest, und er war bereit, dafür auf den elektrischen Stuhl zu gehen, er war froh, für eine Idee zu sterben, damit sein Name zum Symbol des Kampfes werde. Grischa war der Erste, der überhaupt verstand, was er da sagte und antwortete ihm, na los, erschlag mich, erschlag mich, please. Erwürge mich, mach, was du willst, sagte Grischa zu seiner eigenen Überraschung (er begriff nicht, dass in ihm

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