Es war einmal eine Frau, die ihren Mann nicht sonderlich liebte
nicht die nötigen fünfundzwanzig Jahre im Kolchos zusammenbekam, und die fünf Jahre Putzen in der Ambulanz zählten nicht. Mama war mit Anisja zur Sozialfürsorge nach Priserskoje gefahren, aber die Sozialfürsorge war längst und auf alle Ewigkeit geschlossen, und damit hatte sich die Sache, Mama tippelte mit der verschreckten Anisja die fünfundzwanzig Kilometer zurück bis nach Mora, und Anisja machte sich mit neuem Eifer ans Umgraben, Holzhacken und Reisig und Stämme ins Haus schleppen: Denn sonst, wenn sie sich auf die faule Haut gelegt hätte, wäre ihr der Hungertod sicher gewesen, das leibhaftige Beispiel dafür war Marfutka, die schon fünfundachtzig war, sie heizte ihre Hütte nicht mehr, und die Kartoffeln, die sie im Herbst mit Müh und Not ins Haus geschleppt hatte, waren im Winter erfroren und lagen als nasser, stinkender Haufen rum, trotzdem hatte sich Marfutka irgendwie durchgebissen und wollte sich von ihrer einzigen Habe, den verfaulten Kartoffeln, partout nicht trennen, obwohl mich Mama einmal mit der Schaufel zu ihr geschickt hatte, das Zeugs wegkratzen. Aber Marfutka machte mir nicht auf, sie sah durch ihr mit Lumpen zugestopftes Fenster, dass ich mit der Schaufel kam. Entweder aà Marfutka die Kartoffeln roh, und das ohne einen einzigen Zahn im Mund, oder sie machte Feuer, wenn niemand es sah â wir wissen es nicht. Sie hatte kein einziges Scheit Holz im Haus. Im Frühling erschien Marfutka, in Mengen von schmutzstarrenden Schals, Lappen und Decken gehüllt, ab und zu in Anisjas warmem Haus und hockte da wie eine Mumie, ohne einen Ton zu sagen. Anisja machte nicht mal den Versuch, ihr etwas anzubieten, Marfutka hockte einfach da, ich habe ihr einmal ins Gesicht geschaut, das heiÃt in den Teil, den die Lappen freilieÃen, und gesehen, dass es klein und dunkel war, die Augen wie winzige, nasse Löcher. Marfutka überlebte auch noch den nächsten Winter, aber in den Garten ging sie nicht mehr und schickte sich offenbar an, Hungers zu sterben. Anisja meinte ganz unbekümmert, im vergangenen Jahr wäre Marfutka noch ganz rüstig gewesen, aber jetzt nicht mehr, ihre Zehen seien schon ganz krumm, sie schauten wohl schon ins Jenseits. Meine Mutter nahm mich mit, und wir legten für Marfutka Kartoffeln, ungefähr einen halben Eimer. Marfutka beobachtete uns vom Hof aus und war ganz aufgeregt, offenbar fürchtete sie, wir würden uns ihren Garten unter den Nagel reiÃen, aber zu uns herauszukrauchen traute sie sich nicht, meine Mutter ging selbst zu ihr rein und gab ihr einen halben Eimer Kartoffeln. Anscheinend verstand Marfutka das so, dass wir ihr den Garten für einen halben Eimer Kartoffeln abkaufen wollten, sie bekam einen Heidenschreck und wollte die Kartoffeln nicht annehmen. Am Abend wollten Papa, Mama und ich bei Anisja Ziegenmilch holen, und da hockte schon Marfutka. Anisja erklärte, sie hätte uns in Marfutkas Garten gesehen. Mama antwortete, wir hätten beschlossen, der alten Marfutka zu helfen. Aber Anisja meinte, Marfutka rüste sich für die Reise ins Jenseits, sie brauche keine Hilfe, sie finde den Weg allein. Hier sei erwähnt, dass wir Anisja nicht mit Geld bezahlten, sondern mit Konserven und Tütensuppen. Doch lange konnte das nicht mehr so weitergehen, die Ziege hatte Milch, und zwar jeden Tag mehr, und unsere Konserven reichten gerade mal für uns selbst. Wir mussten uns auf einen weniger üppigen Gegenwert einigen, und meine Mutter erklärte Anisja, unsere Konserven gingen zu Ende, wir hätten selbst nichts zu essen und könnten also keine Milch mehr kaufen. Worauf die findige Anisja meinte, sie käme morgen mit einem Schraubglas Milch vorbei und dann würden wir sehen, wenn wir vielleicht Kartoffeln hätten, würden wir schon sehen. Anscheinend ärgerte sich Anisja, dass wir unsere Kartoffeln an Marfutka hergaben und nicht für ihre Milch, sie wusste ja nicht, wie viele Kartoffeln wir in der mageren Frühlingszeit in Marfutkas Garten vernichtet hatten, und ihre Phantasie arbeitete wie eine Dampflok. Anscheinend wälzte sie die verschiedenen Varianten von Marfutkas baldigem Ende, sie hoffte an ihrer statt die Ernte einzubringen und war schon im Voraus sauer auf uns, die Besitzer der gelegten Kartoffeln. Alles nicht so einfach, wenn es ums Ãberleben geht in Zeiten wie den unsrigen, ums Ãberleben eines alten, hilflosen Menschen neben einer starken jungen Familie
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