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Es war einmal eine Frau, die ihren Mann nicht sonderlich liebte

Es war einmal eine Frau, die ihren Mann nicht sonderlich liebte

Titel: Es war einmal eine Frau, die ihren Mann nicht sonderlich liebte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ljudmila Petruschewskaja
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dann laufen lassen (offenbar mussten sie eine bestimmte Anzahl an jungen Männern zusammenkriegen, und nun war einer zu wenig). Die Frau war herumgerannt, hatte Dokumente besorgt, Aljoscha hielt sich derweil versteckt. Jede Nacht suchte ein Polizist in der Wohnung nach ihm, und das zur selben Zeit, als die Beerdigung war! Grischa hörte sich all diese Erzählungen viele, viele Male weinend an.
    Aljoscha aber nahm seinen neuen Vater nicht an. Er war entsetzt vom raschen Wandel des Seelenzustands seiner Mutter, von ihrem wahrhaften Verrat, sie hatte noch nicht mal ein Paar Schuhe abgelaufen und warf sich schon einem anderen an den Hals. Aljoscha weigerte sich strikt nach Amerika zu gehen, seine Mutter aber, die gut zwanzig Jahre jünger aussah, weich, goldhaarig, blauäugig, voller Liebe, ging mit dem neuen Mann für immer dorthin, wo die Seele ihres ersten Mannes lebte, und niemand erklärte ihnen was.

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    Die neuen Robinsons
    Eine Chronik vom Ausgang des 20. Jahrhunderts
    Mein Vater und meine Mutter wollten schlauer sein als alle anderen und zogen sich, bevor alles losging , mit mir und einer Ladung gehorteter Lebensmittel aufs Dorf zurück, in die finsterste, verlassene Provinz, irgendwo hinter dem Flüsschen Mora [1] . Unser Haus hatten wir für wenig Geld gekauft, und dann stand es einfach so da, einmal im Jahr, Ende Juni, fuhren wir hin, um Beeren zu sammeln, sie sollten gut für meine Gesundheit sein, und dann noch mal im August, wenn in den verlassenen Gärten die Äpfel reif waren, die Schlehen und die winzigen, verwilderten schwarzen Johannisbeeren, und es in den Wäldern Himbeeren und Pilze gab. Das Haus hatten wir praktisch auf Abriss gekauft, wir nutzten es, ohne etwas zu reparieren, bis mein Vater eines schönen Tages einen Fahrer anheuerte und wir im Frühling, kaum dass alles getrocknet war, mit unserer Ladung Lebensmittel aufs Land fuhren, wie die Robinsons, mit allerlei Gartengerät, außerdem einem Gewehr und der Windhündin Krassiwaja, die Schöne, die unserer Überzeugung nach im Herbst für die Familie Hasen jagen würde.
    Mein Vater begann fieberhaft herumzuwirtschaften, er grub den Garten um, wobei er das Nachbargrundstück gleich mit in Beschlag nahm, wozu er die Pfähle ausgrub und den Zaun des nicht existierenden Nachbarn versetzte. Wir gruben also den Garten um, legten Kartoffeln, drei Sack, lockerten den Boden unter den Apfelbäumen, und Vater ging in den Wald und stach Torf. Wir organisierten eine zweirädrige Schubkarre, überhaupt durchstöberte mein Vater äußerst aktiv die mit Brettern vernagelten Nachbarhäuser und deckte sich mit allem ein, was ihm unter die Finger kam: Nägel, alte Bretter, Dachpappe, Blech, Eimer, Bänke, Türklinken, Fensterglas, diverser brauchbarer Trödel wie Tröge, Spinnräder, Wanduhren, und diverser unnützer Trödel wie gusseiserne Töpfe, gusseiserne Ofentüren, Ofenklappen, Herdplatten und Ähnliches. Im ganzen Dorf lebten nur drei Frauen: Anisja, dann die völlig verwahrloste Marfutka und die rothaarige Tanja, die als Einzige Familie hatte und deren Kinder mit dem eigenen Auto anreisten, Sachen hinschaffen und Sachen wegschaffen, hin schleppten sie städtische Konserven, Käse, Butter und Lebkuchen und zurück Salzgurken, Kohl und Kartoffeln. Tanjas Vorratskeller war voll, sie hielt ihren Hof gut in Schuss, ein mickriger Enkel wohnte bei ihr, Walerotschka mit Namen, der es ständig mit den Ohren oder die Krätze hatte. Tanja war gelernte Krankenschwester, ihre Ausbildung hatte sie im Lager an der Kolyma erhalten, wohin sie wegen eines geklauten Kolchosferkels geschickt wurde, mit siebzehn. Des Volkes Pfad zu ihr wuchs niemals zu, ihr Ofen war geheizt, die Schäferin Werka aus dem Nachbardorf Tarutino, das bewohnt war, erschien regelmäßig bei ihr, und ich hörte, wie sie schon von Weitem rief: »Tanja, setz Teewasser auf!« Großmutter Anisja, der einzige Mensch im Dorf (Marfutka zählte nicht, und Tanja war kein Mensch, sondern eine Verbrecherin), berichtete uns, dass Tanja seinerzeit hier in Mora Leiterin der Ambulanz und praktisch die wichtigste Person am Platz gewesen sei, bei ihr wären die wichtigsten Sachen passiert, ihr halbes Haus hätte sie an die Ambulanz vermietet, und Geld wäre auch im Spiel gewesen. Anisja hatte selbst fünf Jahre bei Tanja gearbeitet, was dazu führte, dass sie völlig ohne Rente blieb, weil sie

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