Es war einmal in New York / Nie wieder sollst du lieben
war nicht zu übersehen. Julia war blond, hatte blaue Augen und besaß noch immer eine schlanke Figur. Zu ihrer Zeit war sie zweifellos die Schönste der Schönen gewesen. Wie üblich trug sie ein blaues Abendkleid aus Seide und Spitze mit dreiviertellangen Ärmeln, außerdem Ohrringe und eine Halskette mit zur Farbe des Kleides passenden Saphiren. Ihre Mutter schien sehr verärgert zu sein, doch sie hatte keine Gelegenheit mehr, sich darüber weitere Gedanken zu machen, da ihr Blick ungläubig weg von Julia hin zu dem Platz wanderte, der eigentlich für sie hätte reserviert sein müssen.
Ihr Platz war jedoch nicht frei, stattdessen saß dort … Calder Hart!
Sollte er nicht immer noch in Chicago sein?
Abrupt begann ihr Herz zu rasen. Calder war wieder zu Hause! „ Du bist zurück“, flüsterte sie verblüfft, dann trafen sich ihre Blicke.
Der dunkelhaarige Mann stand langsam auf, ließ den Anflug eines Lächelns erkennen und deutete eine Verbeugung an.
Sie konnte nicht leugnen, dass er ihr sehr gefehlt hatte.Vielleicht war die Anziehung, die sie für Hart empfand, rein körperlicher Natur, obwohl sie inständig hoffte, dass dies nicht der Fall sein möge.
Francesca war stets davon ausgegangen, eines Tages einen Mann zu heiraten, dessen Wesen dem ihres Vaters ähnelte – ein angesehener, bewundernswerter, ehrbarer Mann, ein Reformer, ein Mann der Tat. Also jemand wie Rick Bragg. Stattdessen war sie nun mit dem wohlhabendsten Geschäftsmann der Stadt verlobt, dem zugleich der Ruf anhing, ein berüchtigter Frauenheld zu sein. Wie es so weit hatte kommen können, war ihr immer noch ein Rätsel. Das galt auch für die Tatsache, wie extrem schnell sie beide ein Paar geworden waren. Eben noch war sie mit dem rätselhaften und ach so charismatischen Hart lediglich befreundet, der unter Mordverdacht gestanden hatte. Im nächsten Moment hatten sie sich heimlich verlobt, bis er die Sache in die Hand nahm und die Verlobung öffentlich bekannt gab, da er nicht länger bereit war, ihr dauerndes Hinauszögern hinzunehmen. Wann genau hatte sie sich in Calder Hart verliebt? Und: Konnte sie ihre Gefühle überhaupt Liebe nennen?
Wenn sie mit Hart zusammen war, kam es ihr so vor, als sei sie in einen Zug eingestiegen, dessen Lok ungebremst ein nicht enden wollendes Gefälle hinabraste und immer schneller und schneller wurde. Doch so erschreckend das auch sein mochte, verspürte sie nicht den Wunsch, von diesem Zug abzuspringen.
Sie hatte ihren Entschluss gefasst.
Francesca blieb die Luft weg, als Julia sagte: „Wirst du uns mit deiner Anwesenheit beehren, Francesca? Du hast dich zwar ein wenig verspätet, aber ich bin sicher, der Verkehr in der Stadt war wieder besonders schlimm. Wie du siehst, haben wir einen unerwarteten Gast. Natürlich habe ich Calder gebeten, zu bleiben und mit uns zu Abend zu essen.“
Es fiel ihr ausgesprochen schwer, den Blick von Hart abzuwenden. Etwas am Tonfall ihrer Mutter erschien ihr eigenartig – als sei er von Angst oder Anspannung geprägt. Sie gab den Versuch auf, woanders hinzusehen, stattdessen schaute sie einfach weiter den Mann an, der sie aus einem unerklärlichen Grund heiraten wollte. „Ich gehe wohl besser nach oben und ziehe mich um“, murmelte sie.
Calder stand auf und machte einen Schritt auf sie zu, um sie voller Sorge zu fragen: „Francesca, geht es dir gut?“
Sie hatte keine Ahnung, wovon er eigentlich sprach, doch ehe sie sich versah, war er bei ihr und legte einen Arm um ihre Taille, als wolle er verhindern, dass sie zu Boden sank. „Ich glaube, meine Verlobte braucht frische Luft“, erklärte er mit Nachdruck. Bevor Andrew oder Julia darauf etwas erwidern konnten, zog er sie bereits mit sich aus dem Zimmer.
Hart war groß und breitschultrig, und an diesem Abend trug er einen dunklen Anzug. An jedem anderen Mann hätte das pechschwarze Tuch langweilig gewirkt, doch ihn machte die Farbe nur umso gefährlicher und verführerischer zugleich. Er ließ seinen Blick über ihr Gesicht wandern. Francesca wusste, sie war rot geworden, da ihr Herz immer noch wie wild raste. Seine dunklen Augen – nachtblau mit goldenen Sprenkeln – glitten weiter über ihre Jacke und ihren Rock.
Sie lehnte sich lächelnd an ihn, während sie den Flur durchquerten und sich in einen Salon zurückzogen, in dem es gut ein Dutzend opulent ausgestatteter Sitzgruppen gab. Er erwiderte ihr Lächeln, dann drückte er mit dem Fuß die Tür ins Schloss.
„Das war so offensichtlich, dass es
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