Es war einmal in New York / Nie wieder sollst du lieben
und Enttäuschung verdunkelten seine Augen. Erst nach einer Weile sagte er: „Du kommst zu spät. Ich habe die Verlobung heute Morgen gelöst. Deine Schwester ist frei.“
Er ging an ihr vorbei zur Tür und öffnete sie. Offensichtlich wünschte er, dass sie ging.
Nun schlug Connie das Herz bis zum Hals. Nun verstand sie seinen Schmerz. Obwohl sie am liebsten die Flucht ergriffen hätte, hielt sie an der Tür inne und wagte es, ihm ins Gesicht zu sehen.
„Francesca hat mir gesagt, was für ein guter Mensch du tatsächlich bist. Nun begreife ich das selbst. Danke, Calder, danke, dass du meine Schwester beschützt.“
Er sagte nur ein Wort: „Geh.“
Connie eilte hinaus.
In Albany war es kalt. Als Francesca und Joel am Bahnhof in eine offene Droschke stiegen, wünschte Francesca, sie hätteeinen Mantel mitgebracht. Auch wenn die Sonne von einem fast wolkenlosen Himmel schien, waren die Wiesen neben der Straße aufgeweicht. Laut dem redseligen Kutscher hatte es letzte Nacht sogar geschneit. „Heute Nacht kann es wieder schneien“, fügte er fröhlich hinzu und drehte sich zu Francesca um, wobei sein Lächeln mehrere fehlende Vorderzähne enthüllte. „Sie brauchen einen Mantel.“
„Das habe ich bereits bemerkt“, sagte Francesca. „Wie weit ist es denn bis zu den Gerichtsgebäuden?“ Noch immer fuhren sie durch eine eher ländliche Gegend mit zahlreichen Farmen. Neben der Straße grasten zufrieden schwarzweiße Kühe.
„Ungefähr fünf Meilen. Die Stadt dehnt sich weit aus, doch alles Wichtige liegt dicht beieinander.“
Kurz danach erfuhr Francesca, dass das Bezirksgericht, im dem Gillespie wirkte, im Stadtzentrum lag. Nur etwas später erreichten sie die zwei, drei Straßenzüge, in denen man vor einem Jahrhundert eine Hand voll herrschaftlicher Steinhäuser errichtet hatte. Von einem vorbeieilenden Gentleman bekamen sie die Information, dass Richter Gillespies Büro im zweiten Stock des Gerichtsgebäudes lag. Zahlreiche Herren, alle mit Aktentaschen unterm Arm, eilten hinein und hinaus, während Francesca und Joel die breiten Stufen zum Gerichtsgebäude erklommen. In der weiträumigen Halle, in der mehrere Gipssäulen eine Rotunde bildeten, erblickten sie viele geschlossene Türen. Offenbar fanden einige Verhandlungen statt. Zu ihrer Rechten sahen sie eine breite Holztreppe, die sie hinaufstiegen, wobei Francesca hoffte, dass Gillespie nicht in einer Verhandlung war.
Einen Moment später hatten sie sein Büro gefunden; sein Name stand auf einem Messingschild neben der Tür. Francesca bat Joel, in der Halle zu warten. Auf ihr Klopfen öffnete ein Angestellter mit ergrauendem Haar und Brille die Tür zum Büro. „Ich bin hier, um Richter Gillespie zu sehen“, sagte sie.
„Soweit ich weiß, hat der Richter für heute keine Termine geplant, Miss.“
Francesca folgte ihm ins Vorzimmer, wo der Angestellte an einem kleinen Schreibtisch arbeitete. An der Wand gegenüber stand ein ebenso kleines Sofa. Die dunkle Holztür zum Zimmer des Richters war geschlossen. Suchend blätterte der Angestellte in dem Kalender auf seinem Schreibtisch. „Nein, er hat heute keine Termine.“
„Aber er ist vom Gericht zurück?“
„Ja, doch ohne Termin wird er Sie nicht empfangen. Ich kann einen Termin für nächste Woche machen.“
Lächelnd reichte Francesca ihm ihre Karte. „Ich fürchte, das wird nicht reichen, doch ich bin sicher, dass der Richter mich empfangen wird. Ich ermittle in einem Mordfall und bin den ganzen Weg von New York City gekommen. Was noch wichtiger ist: Ich arbeite in dieser Angelegenheit mit der Polizei zusammen, was ich öfter tue. Commissioner Bragg bestärkt mich darin, den Richter aufzusuchen. Wir glauben beide, dass er bei der Lösung des Falls hilfreich sein könnte.“
„Sie sind diese weibliche – ich meine, diese Kriminalistin, über die ich gelesen habe!“
Francesca fühlte sich geschmeichelt. „Ja, das bin ich. Und diese Angelegenheit ist furchtbar dringend. Ich fürchte, ich kann nicht bis nächste Woche warten.“
„Ich werde den Richter fragen, ob er Sie empfängt“, entgegnete der Angestellte. „Ich werde mein Bestes tun.“
Francesca dankte ihm und schritt nervös auf und ab. Nach einem kurzen Moment öffnete sich Gillespies Tür, und er trat zusammen mit seinem Angestellten heraus.
Trotz seines fortgeschrittenen Alters wirkte der Richter vornehm und elegant. Er hatte graues Haar und blaue Augen, und er begrüßte Francesca ebenso überrascht wie amüsiert.
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