Es war einmal in New York / Nie wieder sollst du lieben
sie könnte von einer Frau getötet worden sein?“
Francesca hielt inne. Trotz allem musste sie die Möglichkeit bedenken, dass Gillespie nicht gewusst hatte, dass Honora Daisy war. In diesem Fall hätte er nicht gewusst, dass sie eine Prostituierte war, und er hätte dann auch nicht gewusst, dass seine Tochter eine Liebhaberin hatte. Er tat Francesca leid, denn es bestand wohl kein Zweifel, dass er seine Tochter geliebt hatte und nun um sie trauerte.
„Miss Cahill.“ Seine Stimme war scharf. „Sie scheinen unsicher – oder ist es Widerstreben? Was verheimlichen Sie mir?“
„Ziemlich viel“, erwiderte sie düster. „Ich würde Sie gern mit Ihrer Familie trauern lassen, bevor Sie alle Fakten dieses Falls erfahren, doch er ist sehr Aufsehen erregend, und die städtische Presse stürzt sich darauf. Wenn Sie einige der New Yorker Zeitungen lesen, was Sie sicherlich tun, werden Siediese Fakten eher früher als später erfahren. Das alles ist sicher nicht leicht zu verstehen. Vielleicht sollten Sie nach Hause gehen, Sir, und zuerst mit Ihrer Familie sprechen. Wir können das Gespräch morgen fortsetzen.“
Langsam erhob er sich. „Ich möchte sofort wissen, was Sie mir verheimlichen. Ich möchte all diese so genannten Fakten kennen.“
Und Francesca wollte mit ihren Ermittlungen nicht bis morgen warten, dazu stand zu viel auf dem Spiel. „Wie Sie der Schlagzeile der Zeitung entnehmen konnten, war Daisy – Honora – eine Prostituierte.“
„Eine Prostituierte“, echote er, als ob er das Wort niemals zuvor gehört hätte. „Was wollen Sie damit sagen, Miss Cahill?“
„Sie war eine sehr teure, sehr exklusive Prostituierte. Zuletzt war sie eine Geliebte. Euer Ehren, warum wählte sie ein solches Leben, wo sie doch ein Leben voller Annehmlichkeiten und Privilegien führen konnte?“
Im Büro wurde es eigentümlich still, so still, dass Francesca ihren eigenen Atem hörte. „Lieber Gott, ich weiß es nicht.“
Den Ausdruck in seinen Augen konnte Francesca beim besten Willen nicht deuten. „Es muss doch einen Grund gegeben haben, warum sie von zu Hause fortging“, begann sie.
„Was hat das mit dem brutalen und grausamen Mord an ihr zu tun?“, rief er aufgebracht.
„Ich weiß es nicht“, erwiderte Francesca sanft. Sie entschied, ihm ein anderes Mal von Rose zu erzählen. Und sie würde nicht preisgeben, dass ihr Verlobter Daisy ausgehalten hatte.
„Das wird meine Frau zerstören“, sagte er verzweifelt. „Martha war all diese Jahre meine Stütze. Sie musste schon so leiden, als Daisy aus unserem Leben verschwand. Aber jetzt? Ich weiß nicht, ob sie damit fertig wird. Und meine andereTochter Lydia hat ihre ältere Schwester vergöttert … sie wird am Boden zerstört sein. Wir müssen Daisy nach Hause holen“, fügte er hinzu und weinte wieder. Seine Tränen waren echt, daran bestand kein Zweifel. Doch wenn er bereits gewusst hatte, dass Honora in der Stadt anschaffen ging, konnte er ebenfalls zu den Verdächtigen gehören.
„Euer Ehren, ich bin sicher, dass Sie Daisy nach Hause holen können. Und Ihre Frau wird es herausfinden, wenn Sie es ihr nicht sagen. Es steht alles in den Zeitungen.“
„Nein!“ Wie in Panik hob Gillespie die Hand. „Ich werde es ihr sagen – zum rechten Zeitpunkt.“
„Stand Mrs Gillespie ihrer ältesten Tochter nahe?“, fragte Francesca.
Er rang nach Fassung. „Natürlich standen sie sich nahe. Sogar sehr nahe. Sie vergötterte Honora – ebenso wie ich und ihre Schwester. Honora war schön und in jeder Beziehung perfekt.“ Er hielt einen Moment inne. „Ich möchte meine Tochter sehen“, sagte er dann völlig unvermittelt.
Francesca hielt das für eine sehr gute Idee. Liebend gern hätte sie Gillespie in New York, wo sie und Bragg ihn ausführlich befragen konnten. Tatsächlich wollte sie die ganze Familie dort haben.
„Ich denke, die Polizei braucht ohnehin eine Aussage von Ihnen, Sir“, sagte sie. „Zufällig habe ich einen Zugfahrplan …“
Doch er winkte ab. „Ich bin regelmäßig in der Stadt und weiß, wie die Züge fahren.“ Er ging von seinem Schreibtisch zum Fenster, um auf den Platz zu schauen. „Ich muss nach Hause und Martha sagen, dass unsere Tochter tot ist“, sagte er leise. „Lieber Gott, wie konnte das geschehen? Warum hat sie uns überhaupt verlassen?“
„Sie sagten, sie ließ keinen Brief zurück, als sie fortging?“, hakte Francesca noch einmal nach.
„Nein. Sie ging einfach. Zuerst machten wir uns Sorgen,dass sie
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