Es war einmal in New York / Nie wieder sollst du lieben
Geld verlangt – und ihn sogar dazu ermuntert. Doch er ist zu klug. Er hat keinerlei Erpressungsversuch unternommen und besteht weiter darauf, dass er jedes recht auf die Mädchen hat. Ich kann ihn nicht einsperren und die ganze Sache beenden, solange er nichts Unrechtes tut.“
Francesca hörte ihm mit großen Augen zu und brauchte einen Augenblick, um das Gesagte zu verarbeiten. „Also macht er dir etwas vor.“
„Ja, das tut er bestimmt. Aber früher oder später wird er Geld verlangen.“
„Rick – wie wird Leigh Anne damit fertig?“
Seine Miene verdüsterte sich. „Sie ist bekümmert und hat Angst. Ich mache mir Sorgen um sie. Sie muss erst noch damit fertig werden, dass sie nicht mehr gehen kann. Weitere Aufregungen kann sie nicht gebrauchen.“
„Nein, gewiss nicht“, stimmte Francesca zu. Sie zögerte. „Eine Verhaftung, eine Anhörung und ein Prozess würden diese Situation nur verlängern.“
„Was schlägst du vor?“, fragte er, als sich ihre Blicke trafen.
„Du könntest ihm Geld geben, damit er die Stadt für immer verlässt – und so Leigh Anne weitere Sorgen ersparen.“
Er schwieg einen Augenblick. „Ich gebe es nur ungern zu, doch der Gedanke kam mir auch schon. Ich will diese Sache beenden, Francesca, damit Leigh Anne sich endlich von dem Unfall erholen kann. Ich möchte sie wieder glücklich sehen.“
Sie wusste, dass er nicht die Mittel hatte, um O’Donnellauszuzahlen, falls er sich dafür entscheiden sollte. Als städtischer Angestellter erhielt er nur ein bescheidenes Gehalt. Auch Leigh Anne hatte keine finanziellen Mittel. Aber natürlich waren die Braggs sehr wohlhabend. Genau wie Calder.
Vielleicht könnte das die beiden Brüder zusammenbringen. „Ich kann dir helfen“, sagte sie. „Wenn du dich für diesen Weg entscheidest, kann ich dir helfen, die Summe zusammenzubekommen.“
„Das ist sehr großzügig von dir, Francesca. Aber falls ich mich entscheide, O’Donnell auszuzahlen, bitte ich bei der Bank um ein Darlehen.“
Warum sollte Hart nicht zum ersten Mal in seinem Leben dem eigenen Bruder helfen – dem Bruder, auf den er so eifersüchtig war? „Rick, ich kann dir helfen, und ich würde das nur zu gerne tun.“
„Es gibt einfach nichts, was du für jemanden in Not nicht tun würdest, oder?“, fragte er mit einem Lächeln.
„Mir fällt kaum etwas ein.“
Einen Augenblick schwiegen sie. Francesca fühlte, dass sie diesem Mann eng verbunden war und es auch immer so bleiben würde. Auf einmal sagte Inspektor Newman: „Sir? Sie sollten besser in die Halle kommen.“
Newman stand im Türrahmen und wirkte sehr ernst. Hinter ihm stand Hart und sah sie und Bragg an.
Sofort eilte Bragg hinaus, und Francesca folgte ihm. Dabei wagte sie einen Blick auf Hart, wobei sie sich ihrer geröteten Wangen bewusst war. Er betrachtete sie kühl und argwöhnisch. Eigentlich sollte sie sich freuen, dass sie ihm offensichtlich nicht egal war, doch sie verabscheute seine Eifersucht und die damit verbundenen Ausbrüche.
„Worum geht’s?“, fragte Bragg.
Newman nickte in Richtung eines jungen Polizisten. Der Mann trat hervor und hielt ein Messer mit einer langen, braunverkrusteten Klinge empor.
Francescas Herz setzte einen Moment aus. „Ist das ein Jagdmesser?“, fragte sie, doch sie war sich dessen sicher – so wie sie sicher war, dass getrocknetes Blut an der Klinge klebte.
„Ja“, sagte Bragg. „Stecken Sie es in eine Tüte.“
Hart trat vor. „Wo zum Teufel haben Sie das gefunden?
Das gehört mir nicht.“
Bragg wandte sich dem jungen Beamten zu, der errötete. „Sir … Ma’am“, stotterte er mit weit aufgerissenen Augen. „Ich habe das Messer in der großen Kutsche im Stall entdeckt, unter dem Rücksitz.“
Es wurde totenstill.
Dies alles geschah nicht wirklich, dachte Francesca bestürzt.
„Sir?“, ergriff Newman das Wort.
Mit einem Blick auf Hart und einem verschlossenen Gesichtsausdruck sagte Bragg: „Ich fürchte, du wirst die Nacht downtown verbringen. Legen Sie ihm Handschellen an.“
13. KAPITEL
Donnerstag, 5. Juni 1902
10.00 Uhr
Francesca saß an dem Sekretär im Gästezimmer ihrer Schwester und blätterte durch Daisys Bankauszüge. Doch es war ihr kaum möglich, sich zu konzentrieren. Ständig musste sie an den vergangenen Abend denken, als die Polizei Hart in Handschellen abgeführt hatte, um ihn weiter zu verhören, während das Messer untersucht wurde.
Er war zornig gewesen, hatte jedoch kein weiteres Mal seine Unschuld
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