Es war einmal in New York / Nie wieder sollst du lieben
seine Augen funkelten. Es ließ sich nicht leugnen, dass er ein Mann war, bei dem eine Frau schnell schwach werden konnte.
„Guten Tag, Calder, und vielen Dank, dass Sie sich Zeit für mich nehmen“, erwiderte sie und nahm in dem Sessel Platz, den er ihr anbot, verzichtete aber auf Erfrischungen.
Hart wirkte neugierig, was den Grund für ihren Besuch anging, doch er ließ keine Eile walten, sondern ging gemächlich zurück hinter seinen Schreibtisch. In die Tischplatte war dunkles Leder eingelegt, die Ränder waren vergoldet. Der Sessel, in den sich Hart setzte, war eindeutig spanischer Herkunft. „Und was führt Sie nach Downtown? Ich hoffe, Sie hatten noch andere Besorgungen zu erledigen und haben nicht allein meinetwegen den weiten Weg bis hierher zurückgelegt.“ Er lehnte sich nach hinten, wobei er entspannt, aber nicht gleichgültig, und selbstbewusst, aber nicht arrogant wirkte.
„Sie sind tatsächlich der einzige Grund, weshalb ich bishierher zum Hafen gefahren bin“, antwortete sie.
„Ich hätte doch am Abend bei Ihnen vorbeikommen können, Julia. Sie hätten nur fragen müssen.“
Dass er das getan hätte, war ihr klar, schließlich war er doch ein Gentleman. Doch sie wollte weder von Francesca noch von Andrew bei dieser Unterhaltung gestört werden. „Mir sind einige Minuten unter vier Augen lieber.“
„Ich muss gestehen, ich bin neugierig.“ Wieder lächelte er, und in seiner rechten Wange bildete sich ein Grübchen.
Julia wurde ernst, musste aber nicht erst überlegen, wo sie beginnen sollte, da sie ihr Anliegen bereits einige Male zu Hause durchgegangen war. „Ich bin hier, um mit Ihnen über Francesca zu reden.“
„Natürlich, Julia“, entgegnete er und wirkte in keiner Weise überrascht.
Sie seufzte. „Ich liebe meine Tochter sehr, wie Sie wissen. Und ich bin sehr stolz darauf, wie klug und entschlossen sie ist. Als kleines Mädchen von vielleicht sechs oder sieben Jahren stand sie auf der Straße vor unserem Haus und verteilte Kekse an alle Armen, die vorübergingen. Als sie etwas älter war, waren es Pamphlete anstelle von Keksen. Ich werde nie vergessen, wie sie sich zum ersten Mal für Politik zu interessieren begann und auf der Straße Stimmen für die Reform sammelte.“
„Lassen Sie mich raten – sie war damals zehn?“
„Elf. Sie versteckte sich unter Andrews Tisch, wenn die Citizens Union sich bei uns zu Hause traf, und verfolgte jede Debatte. Es dauerte nicht lang, da ließ er es zu, dass sie sich dazusetzen durfte, weil sie zu groß für den Platz unter dem Schreibtisch geworden war.“
Hart musste amüsiert lachen. „Das klingt wirklich ganz nach Francesca.“
„Es gab eigentlich nie einen Zweifel daran, dass sie einmalAndrews Vorbild folgen und eine Aktivistin werden würde. Sie engagierte sich sehr stark mit den Reformern für Lows Wahl zum Bürgermeister, und genauso setzte sie sich vor vier Jahren dafür ein, Van Wycks Wahl zu verhindern.“
Er zog eine Augenbraue hoch. „Ich nehme an, Sie sind nicht verwandt?“
Julia schnappte nach Luft. „Bei Gott, nein! Was denken Sie denn, Calder. Die Familie meiner Mutter hat nichts zu schaffen mit dieser obszönen Bande von Schlägern und Gaunern. Wir haben nicht einen einzigen Tropfen Blut gemein!“ Dann lehnte sie sich nach vorn. „Die Reform war für Francesca immer das Wichtigste gewesen, Calder.“
„Und?“
Sie seufzte. „Bis sie mit diesem Unsinn anfing, sich in Verbrechen einzumischen.“
Nun wurde auch er ernst, und nach kurzem Schweigen sagte er: „Mir ist bewusst, dass Sie ihre Arbeit als Kriminalistin nicht schätzen.“
„Wie könnte ich das schätzen? Welche Mutter möchte, dass sich ihre Tochter mit Verbrechern und Schlägern abgibt? Francesca wurde entführt und gegen ihren Willen festgehalten. Ihr wurde ein Messer an die Kehle gedrückt, es wurde auf sie geschossen! Mein Gott, ich muss mich wundern, dass ich nicht längst graue Haare bekommen habe!“
„Julia, Sie können mir glauben, wenn ich sage, es ist meine Absicht, für ihre Sicherheit zu sorgen.“
„Und wie? Werden Sie energisch auftreten und diesem Unsinn ein Ende setzen?“
Sein Blick verfinsterte sich. „Wenn Sie wissen wollen, ob ich Francesca nach der Heirat an die Leine legen werde, muss ich Sie enttäuschen.“
„Dann befürworten Sie ihre Arbeit als Kriminalistin?“, fragte sie resolut.
„So möchte ich es nicht ausdrücken.“ Er sah sie nachdenklich an. „Ich schätze ihre Leidenschaft und Hingabe. Ich
Weitere Kostenlose Bücher