Es wird Dich rufen (German Edition)
angelangt, stellte Mike seinen Wagen ab, während er mit detektivischer Akribie versuchte, keinen Winkel des großen Platzes aus den Augen zu lassen. Doch der Mann, den er für Stein gehalten hatte, war weit und breit nicht auszumachen.
Mike schloss enttäuscht seinen Wagen ab und ging in Richtung der Villa Bethania, wo er am Eingang zum Pfarrgarten Feline erblickte. Sie unterhielt sich mit einem sportlichen jungen Mann. Es war derselbe, den sie abends zuvor beim Tour Magdala kennengelernt hatte.
»Hier steckst du also«, rief Mike Feline überrascht zu, als er sich den beiden bis auf wenige Schritte genähert hatte. Dass er am Morgen alleine in seinem Zimmer aufgewacht war, hatte ihn zunächst irritiert, doch die Besitzerin des Hotels hatte ihm mitgeteilt, dass sie Feline schon zeitig beim Frühstück gesehen habe. Offenbar hatte sie währenddessen telefoniert und war wenig später von einem unbekannten jungen Mann abgeholt worden. Mike wusste nun auch, von wem.
»Hast du mich etwa vermisst?«, antwortete sie neckisch. Ihr Begleiter wollte sich mit ein paar kurzen Worten verabschieden und zurückziehen, Feline bat ihn allerdings, zu bleiben.
»Sagen wir so: Ich war erstaunt, dass du nicht da warst.«
»Stimmt«, sagte Feline. »Ich habe ganz vergessen, dir eine Notiz zu hinterlassen. Tut mir leid!«
»Wo warst du?«
»Jean hat mich abgeholt!«
»Wann?«
»Heute früh! Wir hatten noch etwas zu erledigen – also wir beide … Er ist inzwischen mein privater Butler geworden«, forderte sie Mike frech heraus. »Ich darf ihm sagen, wie wir unsere Zeit verbringen.«
»Ein Liebhaber eben«, stellte Mike nüchtern fest.
Sie widersprach ihm nicht. »Bist du jetzt eifersüchtig?«
»Warum sollte ich?«
»Nur so!«, antwortete Feline und klammerte sich mit dem Arm an ihren Begleiter. »Du wolltest ja nicht.«
»Schon okay«, bemerkte Mike.
»Weißt du, was witzig ist? Er kommt aus der Bretagne. Gar nicht so weit entfernt von Rennes!«
»Dann passt ihr doch perfekt zueinander!«, freute sich Mike für sie. »Ja, das denke ich auch. Jean hat übrigens ein Ferienhaus in Carcassonne und hat mich eingeladen, dort zu übernachten. Ich gehe davon aus, dass dir das recht ist?«
»Natürlich!«
»Mir auch!«, sagte sie erleichtert und deutete auf den Franzosen, der offenbar keines ihrer Worte verstanden hatte und nur verlegen lächelte. Sie konnte nicht wirklich ernsthaft an ihm interessiert sein. »Eine weitere Nacht in einem Zimmer mit dir hätte ich wahrscheinlich kaum ertragen. Du schnarchst ziemlich laut.«
Mike ignorierte ihr kleines Spiel geflissentlich.
»Kannst du mir bitte deinen Zimmerschlüssel geben? Dann fahren Jean und ich ins Hotel und holen meine Sachen ab.«
»Ungern«, bemerkte Mike.
»Traust du mir nicht?«
»Schon, aber wie soll ich dann wieder an den Schlüssel kommen? Es wäre besser, wir treffen uns heute Abend auf dem Parkplatz.«
»Meinetwegen«, erklärte sie sich widerwillig einverstanden und fragte Mike: »Und was treibst du heute so?«
»Michelle zeigt mir die Gegend.«
»Aha, Michelle«, befand Feline spitz. Mike langweilte ihr Getue inzwischen. Er dachte vielmehr an Walter Stein, den er zu sehen geglaubt hatte. Sollte er sich nicht getäuscht haben, musste sein Chefredakteur kurz zuvor an den beiden vorbeigekommen sein.
»Bevor ich es vergesse: Habt ihr hier einen älteren untersetzten Mann um die 60 Jahre gesehen?«
Feline sah zuerst Mike, dann Jean an, dem sie das Gesagte übersetzte. »Ich glaube nicht, dass deine Beschreibung auf irgendeinen Touristen passt – und wir sind schon eine ganze Weile hier, Mike …«
»Sicher?«, hakte der Redakteur dennoch nach, glaubte er doch einen leichten Zweifel in ihrer Stimme zu hören. »Überlege bitte noch mal. Es wäre wichtig!«
»Nein, da war definitiv niemand, auf den deine Beschreibung zutrifft! Also, ich habe zumindest keinen gesehen. Kann aber auch sein, dass ich etwas abgelenkt war.«
»Na dann – ich dachte, ich hätte einen alten Bekannten gesehen. Vielleicht habe ich mich ja auch getäuscht«, sagte Mike und zweifelte mittlerweile selbst. Manchmal spielten die Augen einem doch einen Streich. Walter hätte ihm sicher Bescheid gegeben.
Der Redakteur verwarf den Gedanken wieder.
Während sich Feline und ihr neuer Begleiter schließlich der Kirche zuwandten, begab sich Mike in die entgegengesetzte Richtung, um sich vor dem Buchladen mit Michelle zu treffen.
»Bonjour!«, rief sie ihm zu, als er einige Meter weiter um
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