Es wird Dich rufen (German Edition)
der General aufgeregt.
»Nein!«, entgegnete sie. »Ganz sicher nicht! Ich weiß, dass er sie in den Tresor geschlossen hat!«
»Aber das kann nicht sein! Wo sind sie denn jetzt?«
»Vielleicht hat der Journalist sie mitgenommen?«, mischte sich Boone ein. Sein bemerkenswert ruhiger Tonfall war von einer unerträglichen Arroganz.
»Er hatte sie definitiv nicht bei sich!«, entgegnete sie forsch.
»Wieso nicht?«
»Er ist spazieren gegangen!«
»Nein, da nimmt er sie sicher nicht mit«, konstatierte der General auf der nüchternen Suche nach einer ebenso vernünftigen wie plausiblen Erklärung, während er mehrere Male nervös mit seinen Fingern schnippte, um sich kurz darauf am Ohr zu kratzen. »Das wäre zu gefährlich. Er könnte sie unterwegs verlieren.«
»Wo können sie denn sonst sein?«, fragte seine Tochter.
»Das müssen wir herausfinden!«, mahnte der General. »Möglichst bald! Ohne die Papiere finden wir den Gral nicht!«
»Und wie bitte soll das gehen?«, fragte Boone süffisant.
»Verdammt noch mal, das weiß ich nicht!«, murrte der General und sah den Agenten mit finsterer Miene an. »Strengen Sie eben auch mal Ihren Grips an! Die Söhne wissen doch angeblich so viel über diesen Dornbach! Dann finden Sie doch heraus, wo wir suchen müssen!«
»Das ist allein Ihre Aufgabe, General!«
»Sagen Sie das nicht so leichtfertig!«, fluchte dieser. »Sie wissen, was auf dem Spiel steht! Für Sie und für mich!«
»Nun, zumindest was Sie betrifft, geht es um Ihren Kopf, mein Bester!«
»Und um Ihren, Mister Boone! Ich denke nicht, dass Ihr Superior sonderlich erfreut sein dürfte, wenn er erfährt, was hier passiert ist!«
»Noch ist nichts passiert«, lächelte Boone überlegen und erhob sich. »Und was machen wir jetzt, Dad?«, unterbrach seine Tochter das Streitgespräch.
»Ich weiß es nicht. Ich muss überlegen! Ich muss …«
»Das können Sie sich sparen, General«, wurde er von Boone unterbrochen. »Abgesehen davon, dass es uns nur unnötig Zeit kosten würde, dürfen Sie davon ausgehen, dass wir bereits vorgesorgt haben – für den Fall, dass es Probleme gibt.«
»Wie darf ich das verstehen?«
»Wenn wir nicht an die Papiere kommen, dann müssen die Papiere eben zu uns kommen!«
»Und wie soll das gehen, Boone?«
»Nun, ich habe da eine Idee«, sagte er und blickte mit einem triumphierenden Gesichtsausdruck die Tochter des Generals an.
31
»Es ist unvergleichlich schön hier!«, zeigte sich Mike von der wildromantischen Landschaft, die das Dörfchen Rennes-le-Château umgab, zutiefst fasziniert.
Seit einer guten Stunde waren er, Jean und Michelle bereits unterwegs. Michelle trug einen kleinen dunkelblauen Rucksack, in dem sie Wasser und etwas Verpflegung verstaut hatte, falls sie unterwegs eine Rast machten.
Als sie eine beeindruckende Schlucht mit vielen Höhlen und Felsspalten passierten, erzählte Jean von einem Hirtenjungen namens Paris. Der hatte dort vor einigen Jahrhunderten in einer tiefen Felsspalte ein weitverzweigtes System an Gängen und Sälen entdeckt, wo er auf einen immensen Goldschatz stieß, was die Aufmerksamkeit der Lehnsherren von Rennes-le-Château erweckte.
Eine fantastische Geschichte, empfand Mike. Es fiel ihm nicht schwer zu glauben, dass viele Schatzsucher die Schlucht als den Ort ausmachten, an dem sich der unermessliche Schatz, von dem alle Welt sprach, auch heute noch befände.
Auch er hätte gerne einmal in eine der Felsspalten geschaut und wäre ein paar Schritte hineingegangen, doch Jean und Michelle rieten ihm unmissverständlich davon ab. Es sei zu gefährlich. Einigen leichtsinnigen Menschen hatte dies bereits das Leben gekostet.
Noch mehr als von dieser Geschichte war Mike von Jeans Ausdauer beeindruckt, denn wie ein junger Gott setzte er einen Schritt vor den nächsten. Keine Spur von körperlichem Gebrechen oder Müdigkeit. Das hatte Mike nicht erwartet.
»Da vorne ist der Bézu«, deutete Michelle eine Weile später auf eine Anhöhe. »Man nennt ihn auch den Templerberg.«
»Wie ein richtiger Berg sieht der aber nicht aus«, wunderte sich Mike über den relativ geringen Anstieg.
»Es kommt auf die Route an«, erklärte Michelle. »Von vorne ist der Berg kaum bezwingbar. Der Weg hier ist allerdings relativ flach.«
»Der richtige Weg entscheidet, ob das Ziel erreicht werden kann«, warf Jean eine seiner philosophischen Bemerkungen ein, deren tieferen Sinn Mike nicht sofort begriff.
»Man hat eine sehr gute Aussicht von dort
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