Es wird Dich rufen (German Edition)
geschlafen?«
»Wie ein Toter!«, lachte Mike.
In diesem Moment betrat auch Caroline den Raum. Als sie Mike sah, strahlte sie ihm erleichtert entgegen. Sie war froh, dass es ihm wieder gut ging.
Natürlich hatte sie mitbekommen, dass er verletzt war, als Walter Stein den Verwundeten am Vorabend in sein Zimmer brachte. Mike hatte noch eine der Schmerztabletten geschluckt und sich dann schlafen gelegt.
Besorgt hatte sich Caroline bei ihnen erkundigt, was geschehen war, doch Stein sprach im Vorübergehen nur von einem Unfall.
Erleichtert über den guten gesundheitlichen Zustand ihres Gastes, eilte sie nun summend in die Küche zurück, um ihm das Frühstück zu bringen.
»Hast du hier übernachtet, Walter?«
»Ja, ich war die ganze Nacht über hier.«
»Wie kommst du überhaupt nach Frankreich?«
Mike musste an den Moment denken, als er Stein nahe der Kirche von Rennes-le-Château zu erkennen geglaubt hatte. Es war also doch keine Einbildung gewesen.
»Und warum hast du mir nicht gesagt, dass du kommst?«
Stein stellte seine Kaffeetasse beiseite.
»Natürlich könnte ich dir jetzt sagen, dass mich die Neugierde gepackt hat und ich das Dorf einfach selbst anschauen wollte. Aber das wäre nicht die Wahrheit.«
»Und was heißt das?«
»Dass ich von Anfang an darüber Bescheid wusste, was du hier treibst. Mehr noch: Ich war derjenige, der dich auf die Geschichte von Rennes-le-Château angesetzt hat.«
Mike traute seinen Ohren kaum.
»Bitte verzeih, dass ich dich fast verrückt gemacht habe, weil ich dir einen skandalösen Artikel untergeschoben habe, den du natürlich nie geschrieben hast. Er ist übrigens auch niemals veröffentlicht worden. Es gab nur ein Exemplar dieser Zeitung – und das hatte ich.«
»Entschuldige, mir dreht sich gerade alles«, sagte Mike. Er wusste nicht, ob er über dieses Geständnis entsetzt oder erfreut sein sollte. Wie ein Faustschlag hatte es ihn unvorbereitet getroffen.
»Warum hast du mir nicht einfach gesagt, was los ist? Warum hast du mir nicht vertraut? Du hast damit mein Leben aufs Spiel gesetzt! Ist dir das nicht klar gewesen?«
Um nachzudenken stand Mike auf und ging ein paar Schritte zum Fenster des Frühstücksraumes, der direkt auf die einladende Terrasse des kleinen Hotels führte. Er suchte nach Gründen, um Steins Handeln zu verstehen.
Im selben Moment betrat Caroline den Raum, weiterhin leise und fröhlich einen Chanson singend, und servierte Mike ein herzhaftes Frühstück aus Kaffee, Schinken, Käse, Ei und einer kleinen Schale Joghurt sowie lecker duftenden frischen Baguettestückchen und Croissants.
Dann widmete sie sich Walter Stein und erkundigte sich, ob sie auch ihm noch etwas bringen dürfe.
Mike entging dabei nicht, wie sie ihn angesprochen hatte – er wollte es kaum glauben.
»Habe ich das richtig verstanden?«, fragte er ungläubig, als er wieder zum Tisch zurückkam. »Hat sie dich eben Euer Eminenz genannt?«
»Das hat sie«, bestätigte Stein.
»Ja, aber …! Wieso nennt sie dich so?«
»Ich wollte es dir gestern schon sagen, lieber Freund. Du hast in den letzten Tagen eine Menge gelernt und viel über die ›Bewahrer des Lichts‹ erfahren. Es mag dich überraschen, aber auch ich bin ein Teil der Gemeinschaft der Gralshüter. Genauer gesagt: Ich bin ihr oberster Hirte.«
»Was?«, rief Mike erschrocken aus. Mit offenem Mund starrte er ihn an. »Kannst du das wiederholen? Du bist der ominöse Großmeister?«
»Ja, der bin ich.«
»Aber – warum hast du mir das nicht schon früher gesagt?«
»Ich konnte dich nicht früher einweihen«, bemerkte Stein und griff nach einem Croissant, das er mit Butter bestrich.
»Aber warum nicht?«, schüttelte Mike unverständlich den Kopf. »Dachtest du, ich glaube es dir nicht? Wir sind doch Freunde!«
»Das ist es nicht«, verneinte Stein. »Ich durfte dich nicht beeinflussen. Du musstest deinen Weg selbst finden.«
»Nicht beeinflussen? Aber genau das hast du doch getan?«, sagte Mike verwundert. »Ohne dein Zutun wäre ich höchstwahrscheinlich nie in diesem südfranzösischen Dorf gelandet.«
»Nein, ich habe dich in deinem Tun nie zu irgendetwas überredet, Mike. Sicher, wir haben dir Wege aufgezeigt, doch es war einzig deine Entscheidung, sie zu gehen.«
»Aber wieso ich?«
»Ich spürte, dass dieser Weg für dich vorbestimmt ist, als ich dich das erste Mal traf. Du erinnerst dich? Damals in der Universität? Du hast mich angesprochen.«
»Natürlich weiß ich das noch«, sagte Mike.
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