Es wird Dich rufen (German Edition)
jemals gelingen, beide Reliquien zu vereinen. Wie die großen Propheten würden sie wissen, was sie im Hier und Heute zu verändern hatten, damit sie die Zukunft entsprechend ihrer Vorstellungen neu formen konnten. Nicht auszudenken, welche Konsequenzen das nach sich zog. Kein Zweifel – sie mussten aufgehalten werden.
»Ich fürchte, ich werde mich da ein bisschen einmischen müssen, Walter«, sagte Mike.
»Ich habe gehofft, dass du so denkst ...«
48
Sagen Sie das noch mal, Boone!«
»Dornbach ist tot, Fräulein General. Ich konnte kein Risiko eingehen. Er musste sterben!«
Fassungslos starrte sie den Agenten der »Söhne Luzifers« an, der sich am Frühstückstisch siegestrunken vor ihr aufgebaut hatte. Der General stand in unmittelbarer Nähe und schlürfte einen Cognac.
»Sie Mörder!«, schrie sie verzweifelt. »Sie elender Mörder!« Dann wandte sie sich weinend ihrem Vater zu. »Du hast mir versprochen, dass ihm nichts passieren wird!«
»Das musst du verstehen, mein Engel!«, versuchte der General beschwichtigend auf sie einzureden. »Er war eine Gefahr für uns.«
»Du hast mir versprochen, dass ihm nichts passiert!«, wiederholte sie machtlos schreiend, rannte auf ihn zu und trommelte mit ihren geballten Fäusten gegen seinen Oberkörper. »Du hast es mir versprochen! Lügner!«
Fast hatte er jetzt ein schlechtes Gewissen, dass Mike Dornbach nicht mehr am Leben war. Aber so war eben das Spiel. Er hatte die Regeln nicht gemacht.
»Ich habe ihn gemocht!«, schluchzte sie.
»Oh, mein Gott«, bemerkte Boone sarkastisch. »Ein Liebesdrama.
Die Tochter des selbst ernannten Weltenführers verliebt sich in dessen größten Gegner. Welch grausame Ironie.«
»Halten Sie besser den Mund!«, riet der General verärgert. »Und lassen Sie uns alleine.«
»Schon gut«, sagte Boone. »Dann gehe ich eben zu unserem Gast und sehe nach, wie er sich da unten macht.«
»Tun Sie das«, schickte ihn der General weg. Dann nahm er seine Tochter in den Arm. Eng umschlungen hielt er sie fest, während sie ihren Tränen freien Lauf ließ.
»Weine nur«, sagte er liebevoll.
Während ihre Tränen seinen Anzug benetzten, kamen dem General zum ersten Mal Zweifel an dem, was er tat.
Nie hatte er darüber nachgedacht, dass er einem Fehler erlegen sein könnte. Eine gewisse Härte gehörte zum Leben dazu. Das war seine Philosophie, die er auch seinen Kindern beigebracht hatte.
Wer Schwäche zeigte, hatte schon verloren.
Und ein Verlierer wollte er nie sein.
Das Beste für ihn und seine Familie zu erreichen, das war sein Ziel.
Für eine Familie, von der ihm nur noch seine Tochter geblieben war. Alle anderen hatten ihn im Stich gelassen. Wahrscheinlich, weil er wieder versagt hatte.
Einmal im Leben wollte er ihnen mit einem großen Coup beweisen, wie wichtig er wirklich war. Und er hatte all jene strafen wollen, die es wagten, seine Stärke anzuzweifeln.
Die Unterlagen aus dem Erbe des Dritten Reiches waren ihm da gerade recht gekommen. Es war die Möglichkeit gewesen, wenigstens einmal etwas richtig zu machen – für sich. Und für seine Tochter.
Der Plan war perfekt. Alles lief bestens. Fast nichts mehr stand zwischen ihm und der universellen Macht. Nur noch dieser alte Mann, den sie im Untergeschoss des Hotels eingesperrt hatten, um ihn zu zwingen, den Ort zu verraten, an dem der Heilige Gral aufbewahrt wurde.
Ja, er hätte sich eigentlich freuen müssen, doch er konnte es nicht. Die Tränen seiner Tochter hatten einen eigenartigen Prozess losgetreten, für den er sich fast noch mehr hasste als für alles andere, aber sie hatten sein hartes Herz erweicht. Er rang nun selbst mit der Fassung.
Offensichtlich hatte er die Gefühle seiner Tochter für den Journalisten unterschätzt.
»Ich wünschte, ich könnte es rückgängig machen«, sagte er.
Der Gedanke, womöglich seinen einzigen Schatz aufs Spiel gesetzt zu haben, ließ ihm keine Ruhe. Und nun gab es keinen Ausweg mehr. Er war schon zu weit gegangen. Eine Umkehr war nicht mehr möglich. Für ihn hieß es jetzt: alles oder nichts. Sein Thron wartete. Oder das ewige Verderben. Je nachdem.
Allem Kummer seiner Tochter zum Trotz.
Ihm blieb nur die leise Hoffnung, dass sie eines Tages verstehen würde, um wie viel es für ihn und die »Söhne Luzifers« tatsächlich ging.
Und dass sie Mike Dornbach dann schnellstmöglich vergaß.
»General?«, hörte er plötzlich Boones Stimme nach ihm rufen. »Kommen Sie bitte? Unser geschätzter Gast hat so merkwürdige
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