Es wird Dich rufen (German Edition)
nicht das Recht dazu?«
Das war eine eigenartige Begründung. Wovon sprach der alte Mann denn jetzt schon wieder? Selbstverständlich hätte Mike ein einfaches »Nein, danke« akzeptieren müssen. Über diese etwas absonderliche Erklärung ärgerte er sich jedoch fast.
»Weshalb nicht, Jean? Sie wissen so viel über diese Sache! Ich habe diese Manuskripte doch selbst von einem wildfremden Mann zugesteckt bekommen, also werde ich wohl als Letzter das Recht haben, sie aufzubewahren. Oder verschweigen Sie mir doch noch etwas?«
»Ich will Ihre Feststellung einmal so beantworten«, räumte der alte Mann ein. »Die Originalmanuskripte sind der Schlüssel zu einer sehr mächtigen Sache. Deshalb sind sie auch so gefährlich, wenn sie in die Hände von Menschen gelangen, die nicht befugt sind, sie zu besitzen. Es heißt, dass nur die ›Bewahrer des Lichts‹ sie haben dürfen – sie und die Wächter des Geheimnisses, zu denen übrigens auch Abbé Saunière gezählt hat.«
»Saunière war ein Wächter?«
»Ja!«
Mike wartete eine Zeit lang, ob Jean seiner knapp bemessenen Antwort möglicherweise noch etwas hinzufügen wollte. Dem schien aber nicht so.
»Was hat er denn bewacht?«
»Das weiß kaum jemand!«
Zweifelsohne hatte es im Moment keinen Zweck, Jean weiter zu befragen. Er war seltsam einsilbig geworden und schien Mike mit den zentralen Fragen allein lassen zu wollen.
Unsicher, wie er die spärlichen Aussagen einzuschätzen hatte, überlegte Mike, was die veränderte Lage für ihn bedeutete.
Wenn es wirklich stimmte, dass nur ausgewählte Personen im Besitz dieser, wie Jean meinte, gefährlichen Dokumente sein durften, warum hatte er selbst sie dann jetzt in seinen Händen? Das passte so gar nicht zu dem, was er erfahren hatte. Und es ließ nur einen Schluss zu, der ihm allerdings überhaupt nicht gefiel.
»Bin ich dann nicht auch gefährdet?«, fragte Mike.
»Ich weiß es nicht, junger Freund!« Jeans Mimik verriet dem Journalisten, dass er die Wahrheit sagte. »Sie erzählten, dass Ihnen der Priester den Umschlag übergeben hat?«
»Ja«, bemerkte Mike. »Aber doch nur, bis er wiederkommt? Ich meine: Es war doch nicht für die Ewigkeit gedacht?«
»Das ist gleich«, meinte Jean. »Er hat es getan. Also muss er Sie für würdig genug gehalten haben, nicht wahr?«
Aus diesem Blickwinkel hatte Mike die Sache noch gar nicht betrachtet. Es würde aber dazu passen, dass der Priester seinen Namen kannte. Ein Faktum, von dem er Jean bis jetzt noch nichts berichtet hatte. Dennoch zweifelte er.
Mike glaubte schließlich nicht an übernatürliche Kräfte, geheime Organisationen und schon gar nicht an Gralsgeheimnisse. Dazu war er zu sehr Realist. So etwas war Hollywood-Regisseuren auf der Suche nach neuen Stoffen vorbehalten. Dass er nun selbst Teil einer solchen Geschichte geworden sein sollte, war eine seltsame, weil völlig wirre Vorstellung, die er nicht vertiefen wollte.
»Ich habe eine andere Frage, Jean. Sie sagten doch, dass Sie die Dokumente gut kennen. Können Sie mir etwas mehr über sie erzählen?«
»Selbstverständlich!«, nickte der alte Mann. »Was wollen Sie denn wissen?«
»Na ja«, stammelte Mike in der Hoffnung, einen wertvollen Hinweis bekommen zu können, der ihn auf der Suche nach den Hintergründen voranbrachte. »Sie sprachen davon, dass diese Dokumente den Schlüssel enthalten. Könnten Sie sich vorstellen, dass der Autor eine geheime Botschaft darin verborgen hat?«
»Auch!« Der alte Mann lächelte Mike wissend an. »Wobei nicht alle Papiere wichtig sind. Wie Sie gesehen haben, handelt es sich um insgesamt fünf Dokumente, die der Abbé in Rennes-le-Château gefunden hat, wobei wir drei davon fast außer Acht lassen können, weil sie hinsichtlich des Schlüssels keine wirkliche Rolle spielen.«
»Und welche sind das?« Mike ahnte es bereits.
»Nun, wir haben zum einen die beiden aus historischer Sicht sicherlich bemerkenswerten Stammbäume der hiesigen Grafen. Sie reichen zurück bis in die Zeit der Merowinger-Könige. Sie haben vielleicht von dieser sagenumwobenen Dynastie gehört.«
»Möglicherweise irgendwann früher einmal …«, sagte Mike, musste aber eingestehen, »Im Moment kann ich damit nicht so viel anfangen.«
»Das macht gar nichts. Es gibt eine ganze Menge Bücher dazu. Ich möchte es auch dabei bewenden lassen, dass es sich bei den Merowingern um die ältesten fränkischen Könige handelt, die im frühen Mittelalter gewirkt haben. Sie sind so plötzlich auf
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