Es wird Dich rufen (German Edition)
Umschlag zurückzulegen.
Er wirkte nun sehr ernst.
»Ich muss mich bei Ihnen entschuldigen«, sagte Jean in einem überlegten, dennoch gefassten Tonfall. »Es sind tatsächlich die Originale!«
Wusste ich es doch, dachte Mike und fragte: »Es besteht also kein Zweifel daran?«
»Nicht der geringste!«, bestätigte Jean. »Ich habe sie schon einmal gesehen – aber das ist sehr lange her.«
»Wo war das und wann?« Mike wurde neugierig.
»Saunières Haushälterin hat sie mir gezeigt, als wir an einem Winterabend vor dem Kamin in der Villa Bethania saßen und über den Abbé sprachen. Ich hätte nie gedacht, dass ich sie noch einmal zu Gesicht bekommen würde.«
Jean sah Mike prüfend an. »Wo sagten Sie, haben Sie die Dokumente her?«
Mike berichtete Jean nun, wie wenige Minuten zuvor bereits Walter Stein, auch ausführlich von den Ereignissen, die sich in Rennes zugetragen hatten, in deren Folge er in den Besitz dieser Manuskripte gelangt war.
»Nun kann ich Ihre Sorge verstehen«, sagte Jean nach einer langen Zeit des Schweigens, während er aus seiner Jacke eine Pfeife und Tabak gefischt hatte, um zu rauchen.
»Wer weiß davon, dass Sie diese Dokumente haben?«
»Nun …«, antwortete Mike. »Außer Ihnen und einem sehr engen Freund – niemand!«
Feline zählte er nicht dazu, da sie lediglich von einem Umschlag wusste. Über den Inhalt hatte er ihr bislang noch nichts erzählt, geschweige denn davon, ob er den Adressaten bereits ausfindig gemacht hatte.
»Das ist gut so!«
Jean wirkte erleichtert, was für Mike nur einen Schluss zuließ: Der alte Mann hatte also doch geflunkert, als sie in Rennes-le-Château auf der Mauer vor dem Schloss saßen und er die Gefährlichkeit dieser Dokumente noch abgestritten hatte – wohl in der sicheren Annahme, dass Mike sie nie und nimmer besitzen konnte.
»Schließen Sie die Papiere nachher bitte wieder sorgfältig weg«, sagte Jean fast schon in einem befehlsartigen Tonfall.
»Es gibt davon noch eine Übersetzung!«, erklärte Mike. »Ich habe sie oben in meinem Zimmer.«
»Holen Sie sie bitte«, sagte der alte Mann. »Ich werde auf der Veranda auf Sie warten!«
»In Ordnung! Ich bin gleich zurück!«
Als Mike sein Hotelzimmer betrat, hörte er, dass das Wasser im Badezimmer noch immer lief. Feline schien sich eine ausgedehnte Dusche zu gönnen.
Irritiert suchte er nach dem Fax von Stein, das er eigentlich auf das Bett gelegt zu haben glaubte. Es war nicht mehr da. Wo aber könnte er es sonst deponiert haben? So einfach verschwinden konnte es schlecht. Allerdings musste Mike sich eingestehen, dass er wegen Felines Auftritt vorhin nicht ganz bei der Sache gewesen war. Er konnte das Fax überall zurückgelassen haben. Oder hatte Feline es eventuell ...?
Mike klopfte vorsichtig an die Badezimmertür.
»Feline?« Er bekam keine Antwort. »Bist du da?«
Sie schwieg weiterhin. Stattdessen drang nur das leise Plätschern des Wassers, das gemütlich den Duschvorhang hinunterlief, an sein Ohr. Das kam Mike seltsam vor. Er beschloss, nachzusehen.
Vorsichtig öffnete er die Tür – zunächst nur einen Spalt weit. Erneut rief er nach Feline. Und erneut blieb eine Antwort aus, sodass Mike die Tür nun gänzlich aufstieß und das Bad betrat.
Feline war tatsächlich nicht mehr da. Ihre Kleider hatte sie mitgenommen.
»Seltsam«, dachte Mike und stellte das Wasser ab.
Dann verließ er kopfschüttelnd das Zimmer, um wieder zu Jean auf die Veranda zu gehen.
Wo Feline wohl geblieben war? Warum hatte sie das Wasser nicht abgestellt, als sie ging? Hatte sie womöglich das Fax mitgenommen? Und wenn ja: Was wollte sie damit?
»Ist etwas passiert?«, fragte Jean, als er Mike in Gedanken versunken zurückkommen sah.
»Nein, nichts!«, sagte Mike. »Ich hoffe es zumindest.«
Bestimmt gab es für alles eine ebenso einfache wie einleuchtende Erklärung.
Mike lehnte sich an die Brüstung und schaute hinüber zu den Pyrenäen, wo Rennes-le-Château sich weiterhin friedlich auf dem Hügel in der Sonne aalte.
»Haben Sie die Übersetzung?«
»Ehrlich gesagt …«, meinte Mike verschämt, »Ich weiß nicht mehr genau, wo ich sie hingelegt habe.«
»Was soll das heißen?«, erkundigte sich Jean beunruhigt.
»Dass ich sie nicht gefunden habe.«
»Und Sie haben überall gesucht?«
»Na ja«, bekannte Mike. »Unter dem Bett habe ich natürlich nicht nachgesehen. Vielleicht ist mir das Fax vorhin einfach nur runtergefallen. Ich schaue nachher noch einmal etwas genauer
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