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Es wird schon nicht das Ende der Welt sein

Es wird schon nicht das Ende der Welt sein

Titel: Es wird schon nicht das Ende der Welt sein Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ali Lewis
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vom Gesicht wie Tränen. Sobald er den Pfosten raushatte, schaltete er den Motor aus und legte den Kopf aufs Lenkrad. Er schien echt heftig zu keuchen. Es war so heiß gewesen.
    Da sah ich die Pommie an. Sie weinte. Warum heulen Mädchen immer über alles? Ich wollte nicht, dass sie heulte. »Reiß dich verdammt noch mal zusammen!«, brüllte ich sie an. Sie wischte sich das Gesicht mit der Hand ab und sagte: »Ich kann nichts dagegen machen.« Ich war nicht böse auf sie, hatte einfach nur genug von ihr und allen anderen. Ich wollte irgendwo sein, wo nichts von all dem passiert war, wo es keine Rolle spielte. Ich glaube, ich wollte bei Jonny sein. Wir machten uns auf den Weg zurück zur Farm, aber dann sagte die Pommie, ich solle anhalten. Sie wollte Jonnys Grab sehen. Ich wusste nicht, was ich machen sollte. Ich hasste es da, ich weiß also nicht, warum ich wendete und den Alten Rover dahin lenkte, wo Jonny begraben war.
    Der Himmel war rosa und blau von der Sonne, die sich grellrot gefärbt hatte, als wir dort ankamen. Es sah aus wie nicht weit vom Ende der Welt. Das Grab lag genau da, wo ich wusste, dass es sein würde, aber es sah total anders aus als beim letzten Mal. Älter nämlich, so als hätte die Wüste wieder davon Besitz ergriffen. Die Steine drum herum lagen noch da, auch der große, auf dem Jonnys Name stand. Auf den Sandhügel hatte jemand Blumen gestellt, in einem kleinen Eimer. Vermutlich war Mum das gewesen. Sie waren braun geworden.
    Ich glaub, ich wollte, dass etwas passierte, dass sich etwas änderte. Aber das tat es nicht. Jonny war nicht da. Ich wusste, er würde nicht da sein. Er war schon im Himmel gewesen, ehe sie diese Holzkiste im Boden versenkt hatten – ganz gut so, echt, denn wenn er das schwarze Auto und diese blöden, bescheuerten Blumen gesehen hätte, wäre er total ausgerastet. Wir stiegen nicht aus dem Alten Rover aus. Wir schauten uns das Grab nur von da an, wo wir saßen. Man konnte nichts sagen, glaub ich. Nach ein paar Minuten fragte ich die Pommie, ob sie genug gesehen hatte, und sie nickte, also ließ ich den Motor an, und wir fuhren nach Hause.
    Zu Hause ging ich in mein Zimmer und setzte mich eine Weile auf Jonnys Bett. Aber es war nicht mehr dasselbe, seit die Pommie alles aufgeräumt hatte. Ich rutschte auf den Fußboden runter und schlängelte mich unters Bett, wo es dunkel war und staubig roch. Und ich fragte mich, ob es sich wohl so anfühlte – in einer Kiste unter der Erde.

15
    DAS RADIO IN DER KÜCHE knisterte und Reg Evans’ Stimme drang in den Raum. Dad wusste, dass Reg an diesem Tag auf der Station ankommen sollte, wir warteten also alle auf das Rumpeln von ihrem Lastwagen und den Pick-ups und Geländewagen. Als Reg funkte und wir alle hörten, wie er sagte: »Reg Evans an Timber Creek – hört ihr mich, Timber Creek? Over«, jubelten wir alle. Da musste er lachen. Er sagte, er glaube nicht, dass es viele Orte im Territory gebe, an denen man so willkommen geheißen wurde. Dad sagte, sie würden ein paar Kühle vernichten , wenn Reg und die Jungs ankamen. Reg lachte und sagte, er schätze, er sei bereit dazu, den Schaum von dem einen oder anderen zu pusten .
    Als wir hörten, wie der Laster zwei Mal hupte und dann einen längeren Schnaufer von sich gab, wussten wir, Reg und seine Jungs waren da. Wir rannten alle nach draußen, um sie zu begrüßen. Inmitten einer Staubwolke fuhren sie auf der Station ein. Die Farmhunde jagten hinter den Rädern der Bullenfänger-Geländewagen her, als sie auf den Hof fuhren und rutschend zum Halten kamen – wie bei einer Show oder so. Dad ging hin und schüttelte Reg die Hand. Reg gab Mum einen Kuss auf die Wange und sagte, es sei gut, sie zu sehen. Er wusste wohl, dass Jonny nicht da sein würde – keine Ahnung, ob Mum und Dad es ihm erzählt hatten oder ob er es von den Buschtrommeln hatte. Wie auch immer, keiner sagte irgendwas über Jonny. Ich glaub, das war einfacher so. Reg tat so, als wollte er mir den Arm umdrehen, und dann hob er Emily hoch, drehte sie mit dem Kopf nach unten und tat so, als wollte er sie fallen lassen. Sie kicherte wie verrückt. Er nickte Sissy zu. Keine Chance, dass er sie hochheben konnte, ihr Bauch war mittlerweile zu dick. Weiß nicht, ob irgendjemand Reg vorher schon was von Sissy und dem Baby erzählt hatte. Sissy wirkte verlegen und starrte die ganze Zeit auf den Boden. Als Nächstes tippte Reg vor Bobbie an den Rand seiner Baseballmütze – er kannte sie noch vom vorigen Jahr,

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