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Es wird schon nicht das Ende der Welt sein

Es wird schon nicht das Ende der Welt sein

Titel: Es wird schon nicht das Ende der Welt sein Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ali Lewis
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eine Weile drüber nach, dann schaute sie auf und sagte, da es hier in der Nähe ja keine Kirche gäbe, hätten Mum und Dad wahrscheinlich beschlossen, Jonny hier auf der Station zu beerdigen, damit er nicht so weit weg war von zu Hause. Mir wurde schlecht.
    Sie kletterte über eine verbeulte, leere Öltonne, weil sie sich einen besseren Blick auf etwas dahinter verschaffen wollte, und sagte: »Und … besuchst du Jonnys Grab denn – du weißt schon, legst du Blumen hin oder so?« Mein Bauch fühlte sich an, als ob sich mir gleich das Innerste nach außen kehren würde, ich beugte mich also vor und versuchte zu atmen. Als ich keine Antwort gab, guckte die Pommie hoch und sagte: »Was ist los? Geht es dir nicht gut?« Ich konnte ihr nicht antworten. Sie kam zu mir und legte ihre Hand auf meinen Rücken, so wie Mum, wenn wir krank sind. Sie fragte, ob ich okay sei, und meinte, ich solle in den Schatten hinter dem Alten Rover gehen. Sie half mir rüber zu der Stelle, an der er stand, und sagte, ich solle mich hinsetzen, und das tat ich.
    Wir saßen beide im Sand mit den Rücken an das Rad vom Alten Rover gelehnt. Nach ein oder zwei Minuten sagte Liz, es tue ihr leid, dass sie kein Wasser mitgenommen hatte. Ich sagte, das sei schon okay, mir würde es gleich besser gehen. Und da hab ich ihr dann von der Beerdigung erzählt. Ich hab einfach alles rausgelassen, es war, als ob das, was sie dazu gebracht hatte, all diese Fragen zu stellen, irgendwie auch in mich gefahren wäre.
    Ich sprach davon, wie sie dieses große schwarze Auto gemietet hatten, das Jonnys Sarg vom Haus zu dem Loch in der Erde bringen sollte, das Dad gegraben hatte. Wie ich dieses schwarze Auto hasste. Jonny hätte es auch gehasst. Ich wusste nicht, warum wir den Sarg nicht einfach hinten auf den Pick-up laden und ihn da hinfahren konnten – so ganz normal. So war Jonny immer auf der Station rumgefahren. Ihm hat das gefallen.
    Und dann die Kleider. Dad trug einen schwarzen Anzug und Mum hatte irgendwelche schwarzen Hosen an. Tante Ve hatte ein schwarzes Kleid und Sissy trug einen schwarzen Rock. Für mich hatte Tante Ve extra schwarze Hosen zum Anziehen mitgebracht. Ich hasste sie. Sie waren zu warm und kratzten und ich konnte mich nicht drin bewegen. Wir sahen aus, als kämen wir aus einem schlechten Traum oder einem total alten Film oder so. Das Einzige, was nicht schwarz war, waren die ganzen Blumen. Keine Ahnung, was das sollte, aber die Leute sagten andauernd, wie schön sie waren. Waren sie nicht. Das waren die hässlichsten, blödesten Blumen, die ich je gesehen hatte. Jonny hätte sie gehasst.
    Die Pommie hörte zu, also redete ich weiter. Ich erzählte ihr, wie auf der Beerdigung keiner was gesagt hatte. Wir saßen alle nur rum und warteten und gingen leise und höflich miteinander um, so wie man das mit Fremden macht – als würden wir uns nicht richtig kennen. Ich fing Sissys Blick auf, und wir starrten uns eine Ewigkeit an, jedenfalls fühlte sich das so an – leer und allein. Ich wollte kreischen und brüllen, konnte es aber nicht, weil ich wusste, dass ich unsichtbar sein musste.
    Dann, als es so weit war, mussten wir dem blöden schwarzen Auto folgen, in dem Jonnys Sarg war, mitten in diesen hässlichen Blumen. Der Gedanke machte mich wütend. Als wir zu dem Loch in der Erde kamen, stiegen wir alle aus den Autos, und dann ging die Beerdigung los. Ein Priester war da, und der sagte so Zeug, das ich nicht kapierte. Wir sangen ein paar Lieder, die ich noch nie gehört hatte, und dann legten sie den Sarg in die Erde. Diesen Teil hasste ich mehr als alles andere. Mum weinte. Ich hatte sie noch nie weinen sehen. Tante Veronica hielt sie in ihren Armen, als ob sie ein großes Baby wäre. Dad stand neben ihnen. Er tat überhaupt nichts – stand einfach da und starrte. Ich hatte das Gefühl, als würde ich sie alle nicht mehr kennen.
    Nach der Beerdigung, als alle wieder weg waren, ging Dad raus und riss den Zaunpfosten raus, auf den Jonny gefallen war. Seinen Anzug trug er immer noch. Ich hab ihn durch das Fenster von meinem Zimmer gesehen. Mit dem Stiefel trat er gegen den Pfosten, einmal von dieser Seite, einmal von der anderen und dann noch mal von vorne, aber das Ding wollte sich nicht von der Stelle rühren. Der trockene Boden hatte den Pfosten ebenso geschluckt wie das Blut. Es wurde schon dunkel, als Dad schließlich aufgab und eine Kette um den Pfosten legte, damit er ihn mit dem Pick-up rausreißen konnte. Schweiß tropfte ihm

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