Es wird schon nicht das Ende der Welt sein
obwohl sie runtergefallen war.
Nun hatten alle die tote Kuh vergessen, nur die Pommie nicht. Sie stand einfach da und starrte, als sie im Spinifex verschwand. Ihre Mundwinkel zeigten nach unten, als ob sie was Verfaultes gerochen hätte.
18
AM NÄCHSTEN MORGEN stand ich wieder früh auf. Ich konnte nicht aufhören, an den Viehtrieb zu denken. Ich war echt aufgeregt. Mir ging es gut, ich hatte keine Ahnung, dass dies der zweitschlimmste Tag meines Lebens werden würde. Ich ging gleich raus zu Buzz, ich wollte seinen Spaziergang mit ihm machen, denn es konnte ja sein, dass ich nach der Schule keine Gelegenheit mehr dazu hatte. Ich hoffte, dass ich mit den Jungs rauskonnte. Auf meinem Weg zurück zum Haus sah ich die Pommie. Sie lächelte mich an, winkte und fragte, ob ich heute wieder mit den Jungs beim Viehtrieb mitmachen würde. Ich zuckte mit den Schultern und sagte, wahrscheinlich würde ich das, nach der Schule. Zusammen gingen wir zurück zum Haus.
Ich war gerade voll dabei, ihr zu erzählen, dass man eine tote Kuh am leichtesten mit einer Winde am Bullenfänger aus den Rennen ziehen kann, als sie stehen blieb und blinzelte, so als würde sie versuchen, auf große Entfernung ein total langes Wort zu lesen. Ich folgte ihrem Blick, guckte in Richtung Haus – und da kletterte ein Typ aus dem Fenster von Sissys Zimmer. Die Sonne brachte sich in Position, so als ob sie ihn auch entdeckt hatte. Ihre Strahlen verfingen sich im goldenen Haar des Typen, der auf dem Boden gelandet war und weggehen wollte.
Die Pommie stieß mich an, wollte wissen, ob ich ihn auch gesehen hatte, ich sagte also nur: »Gil Smith.«
Sie guckte mich an, als ob ich nicht ganz dicht wäre. »Aber er ist blond«, sagte sie schließlich. Im Kopf spulte ich zurück zu dem Tag im Laden, als er mit Mick und Davy auf die Station gekommen war, und ich erinnerte mich an die Mütze, die er getragen hatte. Ich glaub, deswegen waren der Pommie seine Haare nicht aufgefallen. Ich hatte keine Lust, ihr zu erklären, dass Blackfellas manchmal blonde Kinder hatten – ich war zu sehr damit beschäftigt, mich an diesen Tag im Laden zu erinnern und daran, wie Gil immer nach draußen geguckt hatte, als ob er hoffte, da irgendwas zu sehen zu kriegen – oder irgendwen. Er musste nach Sissy Ausschau gehalten haben – deshalb war er mit Mick und Davy in den Laden gekommen. Ich schluckte heftig, als mir klar wurde, dass Sissy es mit Gil Smith getrieben hatte – mit einem Gin! Das war ein Gefühl wie ein Schlag in den Bauch. Ich wusste nicht, ob das jetzt hieß, dass Sissy ein Gin-Jockey war, normalerweise sagten wir das nur zu Männern. Mein Mund klappte auf. Er war trocken. Die Pommie sah mich an und zog an meinem Arm. Sie sagte: »Vielleicht ist das gar nicht so, wie du denkst.« Aber ich wusste es. Ich hatte Lust, Sissy in den dicken Bauch zu treten.
Gil war ein paar Jahre älter als sie. Er war Jonnys Kumpel – oder war es gewesen. Jonny wäre nicht mehr sein Freund gewesen, nicht wenn er gewusst hätte, dass er es mit Sissy treibt. Auf keinen Fall. Meine Gedanken rasten, ich erinnerte mich, dass Gil Weihnachten ein paar Mal auf der Station gewesen war, als Sissy während der Ferien zu Hause war.
Die Pommie legte mir die Hand auf die Schulter, aber ich wollte weder sie noch sonst jemanden in meiner Nähe haben. Ich setzte mich kurz ins Gras, ich musste wieder zu Atem kommen. Sie stand eine Weile still neben mir, dann sagte sie: »Was macht das denn schon? Also wirklich?«
Keine Ahnung, ob ich sauer auf sie war, weil sie so eine blöde Frage stellte, sauer auf mich, weil ich nicht früher draufgekommen war, dass es Gils Baby war, oder ob ich einfach nur wütend auf Sissy war. Egal, ich ließ die Pommie nicht ausreden. Ich stand auf und ging aufs Haus zu. Ich wusste nicht, was ich tun sollte. Mir war irgendwie zum Kotzen. Ich dachte, wenn Dad das rauskriegen würde, dann würde er sie umbringen – und Gil dazu.
Das Haus hatte begonnen, sich zu rekeln und zu strecken, die Klospülung ging, und die frühe Morgensonne strömte durch die Glastüren ins Esszimmer, als ich den Rahmen von Jonnys Bild berührte. Sein Lächeln brachte mich fast zum Schreien. Die Pommie war mir ins Haus gefolgt. Ich wollte rumbrüllen und Sachen in Stücke schlagen. Sissy hatte alles kaputt gemacht. Sie hatte den Viehauftrieb kaputt gemacht – meinen letzten Viehauftrieb – noch bevor er richtig angefangen hatte, und alles andere hatte sie auch kaputt gemacht. Mir kam
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