Es wird schon nicht das Ende der Welt sein
Ahnung, wie die Musterung funktionierte. Ich erklärte ihr, dass wir das Vieh, nachdem wir es in die Gatter getrieben hatten, musterten, so nannten wir das, wenn wir entschieden, welche Rinder auf den Transporter sollten – ins Schlachthaus –, und welche wir behalten wollten, also welche wir wieder in die Wüste gehen ließen.
Das war ein ziemlich gefährlicher Job. Wenn man nicht aufpasste, konnte man alle möglichen Schwierigkeiten kriegen, aber wir arbeiteten im Team, und das hieß, wir machten unsere eigene Arbeit und achteten dabei auf alle anderen, damit auch alles glattging.
Eigentlich war die Sache einfach. Es fing mit einem Schiebetor am hinteren Ende der Gatter an, das sich wie eine Guillotine hoch und runter bewegen ließ. Da arbeitete Ed Barron. Er saß auf dem Zaun wie ein dicker fetter Jabiru und wartete auf Regs Signal, dann hob er das Tor und ließ ein paar Rinder aus der großen Einzäunung in eine kleinere. Da wartete Reg auf sie.
Das Vieh war froh, aus der Haupteinzäunung rauszukommen, sie rannten also durch das Tor, sobald es offen war, denn sie dachten, sie kämen nun wieder raus in die Wüste. Jedes Mal wenn Ed das Tor öffnete, musste er gut aufpassen, dass nicht zu viele Rinder auf einmal durchliefen – das war nämlich gefährlich für Reg auf der anderen Seite.
Sobald sie in der nächsten – der kleineren Einzäunung – waren, ging Reg um die Rinder herum wie ein Ringrichter. Das tat er, damit er sie sich gut angucken konnte, um dann zu entscheiden, welche freigelassen wurden und welche auf den Hänger kamen. Die Pommie meinte, Reg wäre so was wie ein Viehgott. Weiß nicht, ob das stimmt, aber es war ganz schön faszinierend, ihm bei der Arbeit zuzusehen. Die Rinder konnten auf einen losgehen, versuchen, einen auf die Hörner zu nehmen oder am Zaun zu zerquetschen. Sie waren gereizt und verängstigt, was man ihnen eigentlich nicht verdenken konnte. Doch deswegen brauchte Reg auch am Hinterkopf Augen. Er kannte sich gut aus mit Rindern. Es war, als könnte er ihre Gedanken lesen.
Ich sah Reg bei der Arbeit in dieser Einzäunung zu. In einem Moment lief er immer im Kreis herum und entschied, welche Kuh für den Transport ausgewählt wurde, und im nächsten sprang er auf den Zaun – mit mehr Sprungkraft als ein rotes Känguru. Als ich guckte, sah ich, dass sein Bein noch so gerade eben dem Horn einer Hereford Kuh entgangen war. Kein anderer hatte sie kommen sehen, nicht mal Dad. Reg war echt fit und stark. Er hielt seinen elektrischen Viehtreiber wie ein Musketier sein Schwert, und wenn er losrennen und auf den Zaun springen musste, reckte er ihn hoch in die Luft.
Das erste Rind, das Reg zum Abtransport aussuchte, war ein junger Herefordbulle. Mit dem Viehtreiber trennte er ihn von den anderen und trieb ihn auf ein anderes Gatter zu, an dem Dad wartete. Sobald der Bulle vor dem Gatter war, schob Dad das metallene Torelement hoch, um ihn durchzulassen. Das Geräusch von Metall auf Metall hielt diesen Bullen nicht auf. Er rannte einfach an diesen seltsamen Geräuschen vorbei in die engen Rennen und auf den Hänger zu. Doch die Hörner von diesem Bullen standen zu weit auseinander für die Rennen, sie schlugen also gegen die metallenen Zaunelemente, als er durchlief. Das war ein furchtbares Geräusch. Die Pommie zuckte zusammen, aber das war noch gar nichts gegen das Gesicht, das sie später machte, als eine Kuh einen Schreck kriegte und so schnell die Rennen runterwetzte, dass sie sich ein Horn glatt abbrach. Als die Pommie runterguckte und das alte Stück Horn sah, das wie eine blutige Eiswaffel dalag, dachte ich, sie würde kotzen. Ich kickte es weg, und sie tat so, als hätte sie nichts gemerkt und würde an was ganz anderes denken, ganz weit weg, draußen in der Wüste.
Ein Stück weiter unten an den Rennen, hinter Dad, wartete Jack am nächsten Tor. Normalerweise stand es offen, es war aber aus Sicherheitsgründen da. Wenn es ein Problem gab, konnte Jack es schließen und verhindern, dass zu viele Rinder auf einmal auf den Hänger liefen.
Ich arbeitete mit Elliot auf der Strecke hinter Jacks Gatter. Wir mussten jedes Rind markieren, bevor es auf den Hänger kam. Elliot saß breitbeinig über der Renne und beugte sich runter, um die Rinder mit Aufklebern zu markieren, wenn sie durchkamen. Er rief jede Nummer aus und ich schrieb sie auf. Diese Zettel gingen mit den Rindern ans Schlachthaus. Neben jede Nummer schrieb ich eine Beschreibung, zum Beispiel: Hereford Bulle. So
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