Es wird schon nicht das Ende der Welt sein
Scheißer!«
Ich glaub, ich bin rückwärts gegangen, er schien sich nämlich zu bewegen, kam aber nicht näher. Sein Gesicht zuckte, und plötzlich ging er ab, als ob er es ernst meinte. Ich drehte mich um und rannte. Meine Stiefel rutschten auf den Dielen wie auf Glas, ich schoss in Emilys rosa Zimmer rein und weiter bis da, wo die Wände blau werden und Sissys Zimmer anfängt. Während ich mich damit abmühte, das Fenster so weit aufzukriegen, dass ich durchkommen konnte, hörte ich Dads schwere Stiefel hinter mir. Ich machte einen Satz und schlängelte mich durch den Fensterspalt. Seine großen Hände packten meinen rechten Fuß. Kopfüber baumelte ich vor dem Fenster, wie eine Puppe. Es ging alles so schnell. Ich weiß nicht genau, ob ich mit den Zehen gewackelt habe, damit mein Fuß aus dem Stiefel rutscht, oder ob die Schwerkraft mich zur Erde gesaugt hat. Ich weiß nur, dass ich mit Wucht auf die Schulter geknallt bin. Als ich mich hochrapppelte und nach oben guckte, sah ich Dads wütendes Gesicht am Fenster. Er schaute meinen Stiefel in seiner Hand an. Dann war er weg, und ich wusste, er würde hinter mir herkommen, also rannte ich – mit einem Stiefel an, einem aus.
Ich rannte, rannte und rannte nur. Ohne den rechten Stiefel war das, als ob das eine Bein länger war als das andere, trotzdem rannte ich weiter, so schnell ich konnte. Jeder Schritt mit rechts landete auf spitzen Steinen und piksigem Gras. Ich hüpfte am Amoniniakgeruch der Hühner vorbei. In ihrem Stall hörte ich Federn rascheln. Ich lief weiter, sprang über Zäune, setzte über Spinifex. Fiel hin. Stand auf. Von den Witchettybüschen wurde ich zerkratzt und vom Gras gepeitscht. Beim Laufen spürte ich die Dunkelheit auf dem Gesicht und den Staub auf der weißen Haut an meinem rechten Fußknöchel. Ich blieb nicht stehen, bis ich dachte, meine Brust würde explodieren. Wenn ich nicht langsamer lief, bekam ich Probleme, das wusste ich. Mein Inhalator schlug nicht an meinen Schenkel, wenn ich lief. Ich berührte die Tasche, in der sein blaues Plastikgehäuse hätte stecken sollen, aber er war nicht da, er musste rausgefallen sein, als ich aus Sissys Fenster gesprungen war. Wütend war ich nicht mehr. Nur ängstlich. Ich konnte den Pick-up aufheulen hören, die Räder drehten kreischend durch. Da wusste ich, dass ich nicht zurückkonnte. Ich war auf mich gestellt. Ich lief langsamer, hinein in die weite Wüste.
19
DER MOTOR VOM PICK-UP knurrte lauter. Ich presste meinen Bauch also auf die Erde und hoffte, mich so tief geduckt zu haben, dass mich die Scheinwerfer nicht erfassten. Da fiel mir dann wieder ein, was die Pommie über Reg gesagt hatte, also wälzte ich mich im Staub herum und machte mich sandig. Ich wollte auch ein Wüstenschneeleopard sein, damit Dad mich nicht entdeckte.
Der Pick-up kam immer näher, und ich dachte schon, er würde mich vielleicht überfahren. Ich kniff die Augen fest zu und machte mich drauf gefasst. Er kam näher und näher. Ich hielt den Atem an. Dad fuhr an mir vorbei. Er war keinen Meter weit von mir entfernt gewesen, aber in dieser staubigen Verkleidung hatte er mich nicht sehen können. Der Pick-up brummte wie ein Moskito Richtung Warlawurru. Ich blieb am Boden, der nass wurde von meinen Tränen. Ich hatte keinen Jonny mehr, keinen Buzz – und meine Schwester war ein Gin-Jockey. Wahrscheinlich hatte ich gar keine Familie. Auf dem Boden war es kalt.
Als ich den weißen Bart von Mick Smith sah, dachte ich, ich wär beim Weihnachtsmann. Hinter ihm standen noch ein, zwei Sterne, es sah also ein bisschen so aus wie im Himmel. Ich hatte vergessen, wo ich war, bis er sagte: »Hallo, Danny.« Das war, als hätte er mich wachgeklatscht, dabei war mir noch nicht mal klar gewesen, dass ich geschlafen hatte.
Ich glaub, ich hab laut Buzz’ Namen gesagt. Der Startmotor von meinem Hirn musste erst anlaufen. Langsam fiel mir wieder ein, dass er weggelaufen war – und ich auch. Mick setzte sich. Ich hatte ihn nicht gefragt, ob er sich setzen wollte. Er hockte sich einfach ein Stück weiter in den Staub, als ob ich ihn eingeladen hätte.
Er guckte raus in die Richtung, wo die Sonne anfing, sich zu rekeln, als er sagte »Keine Bettrolle?«. Ich glaub, es war ziemlich blöde, ohne Schlafsack oder wenigstens eine Wolldecke draußen in der Wüste zu schlafen. Nun fiel meinem Körper auch wieder ein, wie hungrig er war und wie verkühlt. Ich war am Verrecken, dachte ich. Vermutlich hatte ich was von einer
Weitere Kostenlose Bücher