Es wird schon nicht das Ende der Welt sein
mir beide Knie aufgeschlagen hatte, und hinten am Bein war eine üble Schramme. Ich musste Buzz finden.
Ich hörte einen Pick-up starten. Der Motor wurde lauter und dann schwenkten die Scheinwerfer mit voller Kraft über die Wüste vor mir. Bobbie rief mir zu, ich solle einsteigen.
Ich rannte durch die Dunkelheit auf den Pick-up zu. Das Licht meiner Taschenlampe hüpfte über Staub zu Büschen, von Staub zu Spinifex und wieder zu Staub. Ich fiel hin. Ich wollte weinen. Nicht weil ich mir wehgetan hatte – ich fühlte sowieso nichts mehr –, nur weil ich Angst hatte. Ich wollte Buzz finden, wollte wissen, dass er okay war. Er war noch nie ganz allein aus dem Kälberpferch raus gewesen. Ich wollte nicht, dass die Dingos ihn erwischten, und ich wusste nicht, ob er in der Lage sein würde, allein Wasser zu finden. Ich schwor bei Jonnys Grab, dass ich mich jeden Nachmittag mit Buzz beschäftigen würde, wenn Gott mir nur zeigte, wo er hingelaufen war. An Gott hatte ich schon eine ganze Weile nicht mehr gedacht, jedenfalls nicht so richtig. Es hatte nicht viel Sinn, fand ich, nach dem, was mit Jonny passiert war, aber ich glaube, ich war verzweifelt.
Ich wischte mir übers Gesicht, als ich in den Pick-up stieg, Bobbie und die Pommie sollten meine feuchten Augen nicht sehen. Wir fuhren und fuhren in der Wüste rum und entfernten uns immer weiter vom Haus. Mein Magen knurrte irgendwo ganz in der Tiefe. Mum funkte und erkundigte sich, ob wir ihn gefunden hatten. Blöde Frage. Wir hätten uns gemeldet, wenn es so gewesen wäre. Sie sagte, das Essen sei hinüber und wir sollten zurück zum Haus kommen. Sie sagte, wir würden eine Nadel im Heuhaufen suchen, mit verbundenen Augen .
Ich sagte Bobbie, sie und die Pommie könnten ja zurückfahren, aber ich würde nicht aufgeben. Ich musste ihn finden. Bobbie erhob keine Einwände. Sie fuhr in echt weiten Schleifen zurück, es hätte ja sein können, dass wir ihn übersehen hatten. Aber dann waren wir wieder auf dem Hof – und da war keine Spur von Buzz. Ich fragte mich laut, wie Buzz und die Poddies wohl aus dem Kälberpferch gekommen waren. Und da sagte Bobbie dann: »Sissy hat das Tor vielleicht aus Versehen offen gelassen, als sie heute Nachmittag die Kälber gefüttert hat.«
Sissy … diese bescheuerte Gin-Jockey-Zicke! Ich rannte zum Haus, bereit, sie zu verprügeln. Ihr dicker Bauch war mir ganz egal. Wahrscheinlich war sie total damit beschäftigt gewesen, Gil zu vögeln, da konnte sie nicht auch noch daran denken, das Tor ordentlich zu schließen. Ich raste die Treppe hoch und riss die Fliegentür mit solcher Kraft auf, dass sie gegen die Wand knallte. Dann gab ich der Tür einen Schubs und platzte ins Esszimmer. Alles drehte sich. Sie saß mit Mum und Dad am Tisch wie eine fette Kröte.
»Keine Spur?«, fragte Dad. Mum hatte ihm gefunkt, dass er auch nach Hause kommen sollte. Ich wollte nicht mit ihm reden. Ich stürmte drauflos und brüllte und schrie Sissy an. Ich bedrohte sie mit sämtlichen Beschimpfungen, die mir in den Sinn kamen. Mum war da, aber das hielt mich nicht vom Fluchen ab. Ich sagte Sissy, es wäre besser für sie, wenn sie Buzz finden würde, denn sonst würde ich die Scheiße aus ihr rausprügeln, ihr die blöde Fresse einschlagen und sie nach Strich und Faden verhauen – ich sagte, ich würde mir einen Stock holen und sie verprügeln. Alle brüllten rum. Dad versuchte, mich zu packen, dann vergaß er mich und fing stattdessen an, mit Mum zu streiten. Sissy saß einfach nur da und sagte gar nichts. Nicht mal, tut mir leid. Und da sagte ich dann: »Ich trete dir in deinen Scheiß Gin-Jockey-Bauch.«
Das war, als hätte ich im Haus eine Waffe abgefeuert.
Alle hielten die Klappe und dachten darüber nach, was ich da gesagt hatte – ich eingeschlossen. Ich glaub, Sissy ging auf, dass ich über sie und Gil Bescheid wusste. Ihre Augen wurden ganz groß. Ich glaub, ich hab noch nie jemanden so verschreckt gucken sehen wie sie. Mum stand einfach nur mit offenem Mund da. Dad versuchte, mich am Arm zu packen, griff aber daneben. »So fluchst du niemals vor deiner Mutter, Daniel!«
Da war ich total durcheinander. Ich kapierte es nicht, warum war er nicht wütend auf Sissy, weil sie mit Gil gevögelt hatte? Ich guckte ihn an und fragte: »Was?« – als ob er verrückt geworden wäre. Ich glaub, mein Ton hat ihm nicht gepasst oder wie ich guckte oder so, denn er brüllte: »Was glaubst du eigentlich, mit wem du redest, du kleiner
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