Es wird schon nicht das Ende der Welt sein
verrückten, dehydrierten Kuh, denn er hielt mir seine Wasserflasche hin, deutete mit dem Kinn drauf und forderte mich zum Trinken auf. Seine Jacke gab er mir auch. Sie roch wie der Hühnerstall, wenn man frühmorgens Eier holen ging. Sauber, trocken, bewohnt. Ihre Wärme schmerzte an meinen knochigen Schultern. Meine dreckigen nackten Beine ragten darunter heraus und im grauen Licht sah das getrocknete Blut an meinen Knien und Schienbeinen aus wie Zement.
Eine Weile sagten wir nichts mehr. Mick ließ mich einfach denken. Und da ging mir dann auf, dass wir, wenn Sissys Baby geboren war, irgendwie verwandt wären. Nach einer Weile sah er mich direkt an und sagte: »Buzz? Is das das Kamel?« Ich nickte und er auch, so als ob das alles Sinn machte. Mick lehnte sich zurück, bis sein Hut auf dem Spinifex lag. Anscheinend lag er ganz bequem. Bequemer als jeder Weiße in einem Bett. Ich glaub, ich war derjenige, der hier nicht eingeladen worden war. Ich drehte mich um und fing an, darüber nachzudenken, wie ich Buzz’ Spur verfolgen und wie ich ihn draußen in der Wüste finden sollte. Den Gedanken, dass er die Nacht in der Wüste nicht überlebt haben könnte, verscheuchte ich und legte den Kopf auf die Knie.
»Du willst Buzz sehen?«, fragte Mick. Ich drehte mich zu ihm und sah ihn an. Was meinte er damit? War das ein Angebot, mir beim Suchen zu helfen? Dad hielt Mick für einen großartigen Fährtensucher. Aber dann sagte er: »Dein Dad hat ihn wieder nach Timber Creek gebracht – ham ihn gefunden, als wir dich gesucht ham.«
Mein Kinn wackelte, meine Lippe zitterte, also hielt ich mir den Mund mit der Hand zu. Als meine Augen wieder feucht wurden, hielt ich mir die auch zu. Mick hatte es gesehen, das wusste ich. Ich wollte nur nicht, dass er mich heulen sah. Ich konnte fühlen, wie die salzigen Spuren trockneten und auf dem Dreck auf meinem Gesicht spannten. Nach ein oder zwei Minuten stand ich auf und sagte: »Ich bin am Verhungern.« Ich gab Mick seine Jacke wieder und sagte: »Danke.« Die blaue Wüste hatte orangene Streifen, als ich mich nach Timber Creek aufmachte. Mick versuchte nicht, mich zurückzubringen wie ein kleines Kind. Er ließ mich allein gehen.
Ich hatte gar nicht so furchtbar weit weg vom Haus geschlafen, was ein Glück war, weil mein rechter Fuß nämlich voller Schnitte war. Ich humpelte nach Hause, zwar hatte ich Schiss, was passieren würde, wenn ich da ankam, aber hin musste ich – ich musste zu Buzz.
Wenn Mum und Dad mich nicht mehr haben wollten, beschloss ich, würde ich ein paar von meinen Sachen nehmen, Jonnys Rinderlogbuch, die Karte, die die Pommie auf der Müllkippe gefunden hatte, und Buzz, und dann Richtung Marlu Hill aufbrechen. Irgendjemand würde uns da schon bis zur Tanami Road mitnehmen, und da gäbe es dann bestimmt einen Viehtransporter- oder Pick-up-Fahrer, der uns nach Alice Springs fahren würde. Tante Veronica wohnte in Alice, bei ihr könnte ich unterkommen, dachte ich mir.
Als ich ans Tor von unserer Farm kam, versuchte ich, mich leise reinzuschleichen, damit ich Buzz sehen konnte, bevor ich mit sonst jemandem reden musste. Ich wollte mich vergewissern, dass er in Ordnung war. Ich sah das Haus und Sissys Fenster und musste an sie denken. Ob sie wohl okay war? Zwar war es ihre Schuld gewesen, dass Buzz entwischen konnte, aber nun, wo ich wusste, es ging ihm gut, war das nicht mehr so wichtig. Irgendwie hatte der Morgen mir den Stachel gezogen. All meine Wut war im Laufe der Nacht kalt geworden. Was ich getan hatte, widerte mich ein bisschen an, einfach so hatte ich Mum und Dad Sissys Geheimnis verraten. Ich hasste sie dafür, dass sie es mit Gil getrieben hatte, aber wahrscheinlich hatte die Pommie recht, ich hätte meine große Klappe halten sollen. Und da schimpfte ich mich dann einen blöden Scheißkerl.
Leise machte ich das Tor auf und humpelte über den Hof zum Kälberpferch, dabei guckte ich mich um. Elliot und Lloyd saßen vor dem Haus und rauchten. Ich fragte mich, was los war. Eigentlich hätten sie bei Regs Leuten im Viehcamp bleiben sollen. Als sie mich sahen, hätte man meinen können, sie hätten einen Mann entdeckt, auf den ein Kopfgeld ausgesetzt war. Ich blieb nicht stehen.
Buzz wartete auf mich wie ein schlaksiger alter Teppich. Ich sah ihn und mir ging ein Lächeln über beide Backen, war ein komisches Gefühl. Ich glaub, ich hatte mich so lange mies gefühlt, dass mein Gesicht ganz vergessen hatte, wie lächeln ging. Ich rubbelte Buzz’
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