Es wird schon nicht das Ende der Welt sein
drückte ihn irgendwie runter.
Dann sagte sie, so ganz leise: »Was soll das heißen, Sissy und Gil und das Baby?«
20
»SISSY! SISSY! Komm sofort her!« Mum brüllte, so laut sie konnte, aber aus Sissys Zimmer kam kein Laut. Mum brüllte wieder nach ihr, und als die Antwort ausblieb, ging sie zu Sissys Zimmer und machte die Tür auf. Sissy war nicht da. Das merkte ich an der Art, wie Mum die Tür wieder zumachte. Sie kam wieder zurück zu mir ins Esszimmer. Ich glaub, Mum und Dad hatten nicht verstanden, was ich gemeint hatte, als ich Sissy am Abend vorher Gin-Jockey genannt hatte. Vielleicht dachten sie nur, das wäre ein x-beliebiges Schimpfwort gewesen – so wie wenn Sissy mich schwul nannte.
Mum guckte mich an und sagte: »Ich will alles wissen. SOFORT !« Als ob ich derjenige wär, der es hier mit Gins trieb. Ich schaute zu Boden und dachte nach, was ich sagen sollte. Mum sah mich an. Sie wartete. Als ich hochguckte, schien sie nicht wütend zu sein, eher ängstlich. Sie rückte ihren Stuhl näher an meinen heran und legte mir eine Hand auf den Rücken – sie wollte wohl sehen, ob ich alles ausspucken würde, wenn man nett zu mir war. Sie sagte: »Ist ja gut, Danny, erzähl’s mir einfach.«
Ich war mir nicht sicher, dass sie es auch so meinte. Sie nickte mir zu und sagte: »Ist schon okay«, leiser als vorher. Ich guckte auf meine Hände, dann sagte ich, ich hätte es ihnen doch schon gesagt: Sissy war ein Gin-Jockey – sie trieb es mit Gil Smith.
Mum schnappte nach Luft und stand total schnell auf. Eine Sekunde später sagte sie: »Wie kommst du darauf?« Als ob ich mir das ausgedacht hätte.
Mein Magen schnürte sich zusammen. Mum sagte noch mal: »Wie kommst du darauf, Danny?« Ich guckte auf den Boden und sagte, ich hätte gesehen, wie Gil aus Sissys Fenster geklettert wäre, und wenn Mum mir nicht glaubte, sollte sie doch die Pommie fragen.
Mum brüllte zur Küche rüber: »Liz! Komm mal her, bitte.« Die Pommie kam. Sie trocknete sich ihre nassen, seifigen Hände an einem Handtuch ab. Ehe Liz reden konnte, wandte Mum sich an mich und sagte: »Danny, geh in dein Zimmer. Sofort.« Ich stand vom Tisch auf und ging schnell in mein Zimmer, das ja gleich neben dem Esszimmer liegt. Meine Tür ist gegenüber vom Klavier, wo das Bild von Jonny steht. Ich wusste nicht, ob ich in Schwierigkeiten war oder nicht. Dem Gefühl nach, ja. Ich wollte das Bild von Jonny oben auf dem Klavier berühren, konnte das aber nicht, solange Mum und die Pommie da waren, deshalb guckte ich es stattdessen total intensiv an, als ich die Tür von meinem Zimmer zumachte.
Mum brüllte die Pommie an. Ich hörte ihre gedämpften Stimmen durch die dünne Wand. »Danny meint, du hast Gil Smith aus Sissys Fenster klettern sehen – stimmt das?« Die Pommie musste genickt haben, denn Mum sagte: »Warum zum Teufel hast du mir das nicht erzählt?« Die Pommie sagte, sie hätte keinen Ärger machen wollen, das ginge sie schließlich nichts an. Sie sagte, Sissy sei ja schon schwanger gewesen, als sie in Timber Creek angekommen war. Das konnte Mum nicht abstreiten. Am Baby hatte Liz keine Schuld. Liz sagte, sie dachte, wir wüssten doch wohl alle, dass der Vater jemand von der Station sein musste, weil Sissy in der Weihnachtszeit schwanger geworden war, als sie über die Schulferien zu Hause gewesen war. Als sie die Pommie das sagen hörte, wurde Mum so richtig wütend. Sie ging durch die Decke. »Raus!«, brüllte sie. »Verschwinde einfach, klar?« Ich hörte die Pommie sagen: »Ich wusste nicht, was ich machen sollte. Tut mir leid.« Ich glaub aber, Mum wollte das nicht hören. Sie brüllte: » RAUS , hab ich gesagt!«
Dann wurde es still im Esszimmer, also machte ich meine Tür einen Spaltweit auf. Keiner da. Ich konnte Mum am Funkgerät in der Küche hören. Sie sagte Dad, er müsse sofort nach Hause kommen. Mir war schlecht. Ich wollte los und es Sissy sagen – sie warnen. Aber ich hatte Angst. Ich wusste, Dad würde total ausrasten, wenn er hörte, was sie gemacht hatte. Ich rannte an mein Fenster und guckte, ob ich Sissy nicht irgendwo auf der Farm entdecken konnte. Ich wollte ihr zurufen, dass sie abhauen sollte, einfach einen Pick-up nehmen und abhauen. Mir fiel sonst nichts ein, was ich ihr raten konnte. Sie war nirgends zu sehen. Ich überlegte, wie viel Ärger ich wohl kriegen würde, wenn Mum mich dabei erwischte, wie ich Sissy draußen suchte, da hörte ich, wie die Tür zum Esszimmer aufging.
Mum sagte: »Ah.
Weitere Kostenlose Bücher