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Es wird schon nicht das Ende der Welt sein

Es wird schon nicht das Ende der Welt sein

Titel: Es wird schon nicht das Ende der Welt sein Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ali Lewis
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aus. Das Vieh lag herum wie vom Wind herumgewehter Müll. Rinder waren tot oder starben, steckten im Matsch, brauchten dringend Wasser. Meilenweit waren sie zum Cockatoo Creek gelaufen, um was zu trinken zu kriegen. Vermutlich waren sie bei ihrer Ankunft erschöpft gewesen, hatten aber das Wasser gerochen und waren in den dicken Matsch gewatet. Sie dachten wohl, sie müssten nur noch ein Stück weiterlaufen, dann würden sie schon was zu trinken finden, aber je tiefer der Matsch wurde, desto schwächer wurden sie. Sie starben im Matsch, zu müde zum Weiterlaufen.
    Eine Kuh lag da und muhte leise. Sie sah verrückt aus. Nach irgendwas schien sie zu weinen. Ihre Beine waren so müde, dass sie nicht mal mehr stehen konnte. Wahrscheinlich fraßen die Fliegen sie schon. War ich froh, dass ich Jonnys Gewehr hatte. Dad hatte immer eine Flinte dabei, damit er für eine trauige Situation wie diese gerüstet war.
    Ich konnte den Anblick all dieser aufgedunsenen Kadaver nicht mehr ertragen. Ich hasste den fauligen Gestank vom Matsch, ich konnte ihn schmecken, so stark war er. Ein Geruch nach stehendem Wasser, so wie wenn der Abfluss vom alten Waschhaus verstopft war, aber dazu konnte ich noch verrottetes Fleisch riechen – und Tod. Mir war zum Kotzen. Da waren so viele Fliegen, anscheinend waren sie uns beim Viehtrieb zuvorgekommen. Ab und zu hörte ich eines der Rinder aufschreien. Manchmal konnte ich die lebenden nicht von denen unterscheiden, die schon tot waren.
    Dad und ich saßen im Pick-up und schauten auf die Kadaver ringsum, wir redeten nicht viel. Ich wusste, er dachte nach, denn er hatte die Augen zusammengekniffen und seine Zungenspitze fuhr an seiner Oberlippe entlang, immer hin und her. Wir fuhren näher an das Wasserloch heran. Im Vorbeifahren zeigte ich auf ein paar Kadaver und er nickte. Er wollte sie nicht sehen.
    An den Schatten, den die Bäume und Büsche an der Piste zum Cockatoo Creek gaben, dachten wir erst, als er weg war. Wir ließen die Bäume hinter uns und die Sonne kam wie eine unangenehme Überraschung durch die Windschutzscheibe. Mein Sitz wurde klebrig und meine Augen brannten. Auf dem nackten Stück Wüste um das Wasserloch herum flimmerte der Boden, wie bei einem Zaubertrick verschwand und erschien das tote Vieh wieder. Die Dürre war plötzlich keine harmlose Plauderei übers Wetter mehr. Es ging nicht mal mehr um Wasser oder totes Vieh. Ich glaub, Dad hatte Angst, wir würden auch vertrocknen. Sein Blick flitzte im Staub vor uns herum, er registrierte die toten und sterbenden Rinder. »Himmel«, sagte er leise.
    Dad hielt den Pick-up an und stellte den Motor ab. Beim Aussteigen griff er nach seinem Gewehr, das auf dem Rücksitz lag. »So, Danny – erschieß die, die am schlimmsten dran sind. Die Jungs helfen dann, die Kadaver wegzuschaffen.« Wir mussten das tote Vieh loswerden. Wenn wir das nicht taten, vergifteten sie den ganzen See, wenn er sich wieder mit Wasser füllte. Ich fragte Dad, was wir mit den toten Rindern machen würden. Die Kadavergrube war zu weit weg und zu klein für das ganze tote Vieh am Cockatoo Creek. Er sagte, wir würden sie verbrennen.
    Dad fing auf einer Seite von dem dreckigen Matschfleck an, der mal der See gewesen war, und ich ging auf die andere. Es war nichts anderes zu hören als das Summen der Fliegen, das ab und zu von einem Schuss oder dem Schrei einer Kuh unterbrochen wurde. Ich erschoss ein paar Rinder, dann blieb ich stehen, wischte mir das Gesicht ab und lud nach. Ich konzentrierte mich darauf, die Patronen ins Magazin zu stecken, da rief Dad: »Danny! Daniel! Pass auf!« Ich drehte mich um, wollte gucken, was los war, aber ehe ich was mitkriegte, hatte Dad auch schon sein Gewehr abgefeuert. Mein Körper zuckte zusammen – das Geräusch wurde von der Wüste zu mir zurückgeschleudert. Ich schaute zur anderen Seite und sah aus dem Augenwinkel eine Kuh zusammensacken. Sie sah aus, als hätte sie Matschhosen an, eine Flutlinie aus Matsch klebte an ihrem Bauch. Ich guckte mich nach Dad um, er lief auf mich zu. Sein Gesicht war hart, und er packte mich grob am Arm und sagte: »Das hier ist zu gefährlich.«
    Auf dem Weg zurück zum Pick-up erzählte er mir, dass die Kuh mich gesehen und sich wegen der Schüsse wahrscheinlich erschreckt hatte. Sie war wegen dem Wassermangel durchgedreht, durch den Matsch gestolpert und aus irgendwelchen Gründen auf mich losgegangen. Dad hatte keine andere Wahl gehabt als zu schießen. »Nicht mal die lebenden taugen

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