Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Es wird schon nicht das Ende der Welt sein

Es wird schon nicht das Ende der Welt sein

Titel: Es wird schon nicht das Ende der Welt sein Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ali Lewis
Vom Netzwerk:
zu funken, lief ich ins Esszimmer durch und stellte mich auf die Zehenspitzen, damit ich größer war als das Foto von Jonny oben auf dem Klavier. Ich hielt den Rahmen fest und strich vorsichtig mit den Fingern über Jonnys Gesicht. Mir fiel nichts anderes ein, was ich machen konnte.
    Ich sah Liz und erzählte ihr, was passiert war, und dass Emily und ich mit Elaine zur Kadavergrube fahren würden. Sie seufzte und sagte: »Oh nein.«
    Als wir zur Kadavergrube kamen, kletterten Emily und ich auf die Ladefläche und schoben Elaine raus in die Wüste. Sie landete auf dem Boden wie eine von der Wäscheleine gefallene Hose. Ihr Fell ragte wie ein Zahn aus den schmutzigen alten Knochen der anderen toten Rinder und Pferde. Sie wirkte so neu auf dem Orange der Wüste. Lange würde es nicht dauern, dann wäre sie auch nichts weiter als eine kleinere Version der anderen alten, leeren braunen Kadaver, abgenagt von Dingos und Krähen. »Arme alte Elaine«, sagte Emily. Beim Wegfahren schaute sie zurück auf den weißen Kadaver.
    Dad war zu Hause, als wir wieder auf die Farm kamen. Er war am Telefon und redete mit jemandem über die Rinder, die in Bobs Viehtransporter gestorben waren. Dad war alles andere als glücklich, er meinte, Timber Creek Station würde einen schlechten Ruf kriegen deswegen. Er knallte den Hörer auf, dann knallte er die Tür hinter sich zu und fuhr wieder raus nach Simpson’s Dam. Ich war so schlau, nicht zu fragen, ob ich mit ihm im Lager übernachten konnte.
    Keine Stunde später knisterte das Funkgerät und Greg Crofts Stimme kam durch. Weil ich gerade den Mund voll hatte, ging die Pommie ran. Greg fragte sie, ob Dad draußen am Cockatoo Creek Dam gewesen war? Das war das Wasserloch auf unserem Land, das ihrer Station im Osten am nächsten war. Die Pommie wusste das nicht, also fragte sie mich. Ich war mir nicht sicher, glaubte aber nicht, dass er da draußen gewesen war. Greg sagte, er sei echt besorgt. Gil Smith war auf Gold River aufgetaucht und er war beunruhigt wegen Cockatoo Creek Dam. Greg meinte, Gil wäre auf einem Streifzug gewesen und hätte gesehen, dass das Wasserloch trocken war, und dann war er den ganzen Weg nach Gold River gerannt, was ja am dichtesten an der Wasserstelle dran war, um Alarm zu schlagen. Greg sagte, es wär ja bullenheiß und Gil würde total fertig aussehen, deswegen hatte Penny ihm erst mal was zu futtern gemacht und ihn zum Duschen geschickt. Und während Gil sich sauber machte, war Greg los und hatte das Wasserloch überprüft – und es war knochentrocken .
    Liz guckte mich an, und ich spürte, wie mir das Sandwich im Hals stecken blieb. Ich fing an zu husten. Keine Ahnung, ob nun, weil die Rede von Gil war oder weil das Wasserloch ausgetrocknet war. Liz sagte Greg, sie würde Dad sofort anfunken, aber das musste sie gar nicht. Sowie sie »over and out« gesagt hatte, hörten wir, wie Dad Greg funkte. Das kann man mit dem Funkgerät – man kann hören, was andere Leute sagen, wenn sie auf derselben Frequenz sind. Dad hatte alles gehört, was Greg der Pommie erzählt hatte, und er sagte, er würde sofort nach Cockatoo Creek fahren.
    Wenn man von Simpson’s Dam nach Cockatoo Creek will, muss man über Timber Creek fahren, deshalb sagte Dad, er würde mich auf dem Weg abholen. Er funkte und sagte mir, ich müsste unbedingt viel Wasser dabeihaben, und ich sollte Jonnys Gewehr bereithalten. Sein Pick-up raste auf den Hof wie bei einem Rennen. Er hupte, als ich schon mit meiner Wasserflasche, Munition und Jonnys Gewehr die Treppe runterrannte. Ich hatte für alle Fälle Jonnys Bild noch mal berührt.
    Wir näherten uns Cockatoo Dam, Dad hupte einen Keilschwanzadler an, der am Straßenrand Streifen von einem Kälberkadaver riss. So wie er den Kadaver zerfetzte, hätte man denken können, das Kalb wäre aus Papier. »Das sieht gar nicht gut aus«, sagte Dad. Ich wusste, was er meinte. Das Kalb war verdurstet, und als wir uns weiter von der Farm entfernten und näher an Cockatoo Creek rankamen, sahen wir ein oder zwei weitere Kadaver im Busch liegen.
    Es war mal wieder ein bullenheißer Tag, aber ich hatte nicht damit gerechnet, dass es so schlimm sein würde am Cockatoo Creek. Das Wasser war weg und stattdessen war ein großer Matschfleck in der Wüste.
    Und der war gesprenkelt mit totem Vieh – wie mit Sommersprossen.

24
    ES WAR EIN BISSCHEN SO, als wären wir auf den Mond gebeamt worden oder in eine Bombenexplosion geraten. Wie unsere Station sah das gar nicht

Weitere Kostenlose Bücher