Es wird schon nicht das Ende der Welt sein
sagte, er glaube, das sei eine vorübergehende Erscheinung und wir würden den Sturm schon überstehen. Dann sagte er, er wolle nicht mehr übers Wetter reden, er finde, er habe genug davon gehabt. Kurz darauf guckte er auf seine Uhr und sagte, es wäre Zeit, sich hinzuhauen, und alle fingen an, ihre Bettrollen auszubreiten. Ich lag auf der Seite und versuchte zu schlafen. Aber die Sterne waren so hell, und ich konnte nicht aufhören, an Jonny zu denken, und ob er irgendwo da oben war und beobachtete, wie ich zurechtkam. Ich wollte der beste Viehzüchter sein, den es je auf Timber Creek gegeben hatte.
Keine Ahnung, wie spät es war, aber nach – wie es sich anfühlte – Stunden beschloss ich, aufzustehen und eine Runde um die Einzäunungen zu machen, nur um mich zu vergewissern, dass alles war, wie es sein sollte. Ich konnte Reg unter seiner Bettrolle schnarchen hören und die anderen Jungs schienen auch zu schlafen. Ich guckte rüber zu Dads Schlafsack, aber er hatte ihn sich über den Kopf gezogen, also konnte ich nicht sehen, ob er wach war oder nicht. Es war seltsam, mit ihnen hier draußen zu sein. Obwohl ich nicht allein war, fühlte ich mich einsamer als je zuvor.
Ich ging um die Gatter herum. Weil der Mond schien, hatte ich das Gefühl, meine Augen würden genauso gut sehen wie am Tag. Ich hielt Ausschau nach Dingos. Für alle Fälle hatte ich ein paar Steine in meiner Tasche. Wenn sie in die Gatter eindrangen und anfingen, die Kälber zu schikanieren, würde ich Steine nach ihnen werfen – darin war ich ziemlich gut. Ich hatte geübt. Und da sah ich dann etwas Weißes im Gatter.
27
ZUERST DACHTE ICH, es wäre ein Wildpferd, und ich wollte schon ins Lager zurücklaufen und Jonnys Gewehr holen. Aber als das Vieh sich bewegte, sah ich zwischen all den anderen braunen Rindern Casper, den weißen Brahman-Bullen.
Er war Jonnys Flaschenkalb gewesen und hatte den Namen von dem freundlichen Gespenst bekommen, weil er weiß war und so zahm. Er hatte sich offenbar zu einem starken Bullen entwickelt, muskulös und breit. Während die anderen ringsrum umherliefen und weiter muhten, pissten und sich aufbäumten, blieb Casper ruhig, seine langen Ohren hingen schlapp und freundlich an seinem Kopf herunter. Seine Augen, die mich beobachteten, wirkten fast schwarz in seinem weißen Fell. Er sah aus wie ein Engel oder so was. Ich drehte mich um und sah Dad und die anderen Jungs in ihren Bettrollen auf dem Boden liegen. Ich wollte Casper nicht verscheuchen, deshalb rief ich Dad nicht zu, dass er kommen und sich ansehen sollte, wen ich gefunden hatte. Ich hatte Casper ganz vergessen gehabt. Ein paar Jahre hatte ich ihn nicht mehr gesehen, soweit ich mich erinnerte, aber hier war er, man konnte ihn nicht verwechseln, nicht mal im Dunkeln. Ich glaubte nicht, dass wir noch einen reinweißen Brahman-Bullen wie ihn hatten. Aber … da war noch etwas anderes. Die Art, wie er mich anguckte, gab mir die Gewissheit, dass er es war. Es war, als würden wir einander kennen. Keins der anderen Rinder guckte mich so an. Sie hatten kein Interesse, weil sie mich nicht kannten.
Sobald Casper groß genug gewesen war, war er wie alle anderen Flaschenkälber freigelassen worden. Einige von ihnen blieben ewig in der Nähe vom Haus, sie waren zu zahm, um mit denen in der Wüste Freundschaft zu schließen. Aber dann gab es andere wie Casper, die genauso wild wurden wie alle übrigen, bis wir sie überhaupt nicht mehr wiedererkennen konnten. Ich glaub, Casper stach heraus, weil er weiß war. Keine Ahnung, warum ihn keiner entdeckt hatte, als wir das Vieh zusammengetrieben hatten. Vielleicht hatte Reg oder einer der anderen Jungs ihn gesehen, ihn aber für einen Bullen wie jeden anderen gehalten, weil nur Dad und ich Casper kannten.
Nach einer Weile guckte Casper weg und schob sich weiter in die Herde hinein. Ich wartete noch eine Zeit lang, dann ging ich zurück zu meiner Bettrolle. Dad war wach. Er fragte, wo ich gewesen war, also sagte ich, ich hätte die Gatter kontrolliert. Dad nickte, so als ob er das guthieß. Also erzählte ich ihm, dass ich Casper gesehen hatte. Er lächelte und sagte, dann hätten wir am Morgen ja eine große Entscheidung zu treffen.
Schon vor Sonnenaufgang wurde ich wach. Meine Nase war kalt, aber alles andere war richtig warm im Schlafsack. Ich hörte Rick husten und setzte mich auf, um nachzusehen, was lief. Dad war schon auf, er machte Feuer. Sonst war noch keiner wach, aber ich fand, ich sollte aufstehen und
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