Es wird Tote geben
gewöhnliche Dienstkleidung – natürlich mit den entsprechenden Sternen und Streifen versehen –, doch bei diesem Treffen wollte er den deutschen TV-Fuzzis von Anfang an klarmachen, wen sie vor sich hatten. Zudem zupfte ihm die Idee von den leichtlebigen Visagistinnen, Aufnahmeleiterinnen et cetera auf den Nervenbahnen zwischen Gehirn und Glied gar wundersame Lieder. Und eine maskulin-autoritäre Aufmachung war hierbei sicher nicht die falsche Wahl.
„Na dann … ran an die Buletten, wie unsere Nachbarn sagen.“ Der Bürgermeister rieb sich die Hände und schob Schäfer ins Hirtenstüberl. Erstaunlich: Diese Menschen sahen wirklich so aus, wie man sich landläufig die Verantwortlichen einer zweitklassigen deutschen Filmserie vorstellte. Zudem hatte sie die Raucherlaubnis in diesem Kitschholz-Separee offensichtlich über jedes gesunde Maß hinaus begeistert.
„Nebel des Grauens unter der Regie von Philip Morris oder wie?“ Schäfer öffnete ein Fenster, bevor der Bürgermeister die Gelegenheit hatte, ihn vorzustellen.
„Jaja! Genau so was brauchen wir!“, bellte ein glatzköpfiger Mann Mitte fünfzig, klemmte sich seine Mentholzigarette zwischen die Lippen und klatschte dreimal. Dann stand er auf, beugte sich über den Tisch und reichte Schäfer die Hand. „Ullrich Lehnhart, Produzent und Geschäftsführer von Fifi Productions … Fifi für first in fiction, das sind wir … Ja, sorry für den Gestank … da ist man mal in Österreich, smoker’s paradise, und schon paffen wir drauflos wie crazy.“
„Passt schon.“ Schäfer setzte sich und schaute den Bürgermeister an, der offensichtlich den Faden verloren hatte.
„Ja … liebe … ich habe Ihnen ja schon gesagt … und jetzt ist er hier … unser …“, stammelte der Ortschef mit vor Aufregung und heimischen Destillaten gerötetem Kopf.
„Major Schäfer, Hüter der Lebensqualität.“ Schäfer nickte in die Runde und hob die Hand zu einem flockigen Gruß.
„Ha! Der war gut, das ist’n Burner, oder, Gregor?“, der Produzent schlug dem jungen Mann neben ihm auf die Schulter, „was schreibste denn da schon wieder?“
„Nur ne kurze Szene … fängt Feuer und … sorry, bin’s gleich.“
„Ja, aber nicht wieder so ’nen Slapstick-Humbug, wo Erik ’n weißes Gesicht bekommt … ja, Herr Major, Gregor Sanders, unser Autor … der bringt Schmackes an die Story.“
„Haben der Herr Major schon gewählt?“ Eine Kellnerin stand neben Schäfer und hielt den Stift über dem Bestellblock.
„Das Tagesmenü, ohne Dessert … und einen Hollersaft, groß, mit Leitungswasser.“
„Und dann darf ich Ihnen natürlich unsere Main Acts vorstellen.“ Lehnhart quetschte sich aus der Zirbenholzeckbank, ging um den Tisch herum, stellte sich hinter die Schauspieler – dunkelhaariger Mann und blonde Frau (Nasen-OP?), beide Mitte dreißig – und legte ihnen jeweils eine Hand auf die Schulter. Dabei kam er mit seiner Mentholzigarette an die Haarspitzen der Blondierten, die zischend und rauchend Feuer fingen. Worauf ihr Kollege sofort ein Wasserglas zur Hand nahm, um sie zu löschen, was jedoch misslang, da sie bereits hysterisch aufgesprungen war, dabei versehentlich dem Produzenten die Stuhllehne in die Genitalien gestoßen hatte, und nun mit der rechten Hand auf ihre Haare einschlug. Während Lehnhart sich vor Schmerzen krümmte und norddeutsche Flüche ausstieß, der Drehbuchschreiber gelassen zur Serviette griff und sich das Löschwasser aus dem Gesicht tupfte, der Bürgermeister gar nichts tat, weil er es für möglich hielt, dass während seiner Pinkelpause die spontane Entscheidung gefallen war, den Gastgebern eine Szene aus dem Film vorzuspielen, die zu unterbrechen ihn womöglich als törichten Provinzler dastehen ließ.
„Die Topinamburschaumsuppe mit Rehbutterknöderl für den Herrn Major.“ Die Kellnerin stellte den Teller vor Schäfer ab, nahm ein paar leere Gläser mit, floh aus dem Stüberl und stieß in der Tür mit einem jungen Mann in Camouflagehosen und schwarzem Kapuzenpulli zusammen, worauf die abservierten Gläser in Scherben gingen und die Kellnerin ein „Vadommta Scheißdreck!“ ausstieß, gefolgt von einem kleinlauten: „Entschuldigung … ich hole gleich einen Besen.“
„Is’ Ulli wieder knülle oder wie?“, wandte sich der Neuzugang grinsend an den Drehbuchschreiber und setzte sich in lässiger Langsamkeit zwischen Schäfer und den Bürgermeister.
„Sorry … ganz fettes Sorry!“ Lehnhart ließ sich erschöpft
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