Es wird Tote geben
Reihenhäusern, die großteils in halblegaler Bauweise aus einer ehemaligen Kleingartensiedlung entstanden waren. Ein Wildwuchs an Zubauten: Terrassen, die zu Wintergärten, die zu Wohnzimmern geworden waren. Fahrzeugunterstände, die zu Garagen, die zu Jugendzimmern umgebaut worden waren. Schwimmbecken, so einnehmend, dass man aus dem Küchenfenster Wasser daraus schöpfen konnte, monströse Trampoline für die Enkel, traktorähnliche Rasenmäher-Mobile, Schäferhunde, die aus Bewegungsmangel unberechenbar geworden waren, Thujen, Maschendraht und Gartenzwerge, die Vorboten des Amoklaufs.
„Weste und Waffe!“, wandte sich Schäfer einem Beamten zu, der hinter seinem Streifenwagen stand.
„Herr Schöpf!“, rief er, nachdem er die kugelsichere Weste angelegt hatte. „Herr Schöpf, ich bin schwer enttäuscht! So was macht mich wirklich … traurig!“ Schäfer stieg vorsichtig durch den Garten, um ja keines der Blumen- oder Gartenzwerge-Arrangements zu zerstören.
„Erzählen Sie das den Dreckschweinen vom Amt“, brüllte Schöpf aus dem Fenster im ersten Stock. „Das war immer so ausgemacht, dass ich aus dem Verschlag eine Garage mache! Das habe ich per Handschlag zugesichert bekommen!“
„ … traurig und wütend!“, fuhr Schäfer fort, „wie stehe ich denn jetzt da, wenn die Cobra eintrifft, mit Rammbock, Nebelgranaten und Scharfschützen … Können Sie nicht einmal für die Sicherheit in so einem kleinen Ort sorgen? , werden mir diese Wichtigtuer vorhalten, die keine Ahnung vom Leben hier draußen haben, oder? … Da bemüht man sich, schaut, dass alle miteinander auskommen … Immer erst reden!, das war immer meine Devise, Herr Schöpf!“ Schäfer blieb vor ein paar Gartenzwergen in Bergwerksmontur stehen, die einen durchsichtigen Sarg trugen, und verlor sich für ein paar Sekunden in der Betrachtung dieser Scheußlichkeit.
„Schluss ist mit Reden!“, bellte Schöpf und hustete, „das habe ich viel zu lange probiert … jetzt müssen Taten folgen!“
„Ja, Taten!“, Schäfer zog seine Waffe und erschoss einen der Zwerge.
„Was … was …“, kam es aus dem Oberstock. „Sie sind …“
„Gesetzestreue!“, rief Schäfer zu Schöpf hinauf, „ich habe Sie immer für einen gesetzestreuen Bürger gehalten! Einen, dem Anstand und Sicherheit am Herzen liegen!“
„Jaja“, stammelte Schöpf.
„Und jetzt das!“ Schäfer schoss auf den zweiten Zwerg. „Keinen anderen Ausweg lassen Sie mir, als meine Enttäuschung … meine Enttäuschung und meine Wut an diesen Figuren auszulassen!“
„Ja machen Sie doch was“, schrie Schöpf verzweifelt den ratlos hinter ihren Streifenwagen stehenden Polizisten zu, „der ist doch wahnsinnig geworden!“
„Und das wundert Sie? … Wenn ich an Ihre Frau denke, die Heidrun, die das alles allein wieder herrichten muss, nachdem die Cobra den ganzen Garten und das Haus verwüstet hat … wie soll ich denn da ruhig bleiben? Hier steht ja nicht nur Ihre Ehre auf dem Spiel, sondern auch meine, Herr Schöpf!“ Schäfer setzte sich auf einen runden Stein und legte die Waffe in die Schubkarre eines Gärtner-Gartenzwergs. „Kommen Sie herunter, rauchen wir eine.“
Eine Minute später öffnete sich die Haustür. Schöpf sah sich verunsichert um und ging wie schlafwandelnd zu Schäfer. Der wehrte mit einer Handbewegung seine herbeistürmenden Kollegen ab und hielt Schöpf die offene Zigarettenschachtel hin.
„Ich habe mich einfach nicht mehr ausgesehen …“
„Kann uns allen einmal passieren“, erwiderte Schäfer, „zum Glück ist niemand verletzt worden.“
„Die Zwergerl“, Schöpf lachte in seine Tränen hinein.
„Ich habe nur die beiden wirklich hässlichen erschossen.“
8.
„Das sind unsere Ermittlungen zum Fall Materna.“ Friedmann legte Schäfer einen Stapel Akten auf den Schreibtisch.
„Ah … danke … und was soll ich damit?“
„Weil Sie sich dafür interessiert haben und wir … nur damit Sie wissen, dass wir damals nichts unversucht gelassen haben, um den Buben zu finden … ist uns leider nicht gelungen, aber vielleicht …“
„Wenn ich Zeit habe, schaue ich’s durch … danke.“
Nachdem Friedmann das Büro verlassen hatte, nahm Schäfer den verstaubten Stapel und räumte ihn in den Schrank hinter ihm. Wieder so ein Herantreten an den Wunderheiler – wenn die Wissenschaft versagt, helfen nur mehr die übersinnlichen Kräfte des Majors. Schwachsinn. Weder langweilte er sich auf einer per Preisausschreiben gewonnenen
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