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Es wird Tote geben

Es wird Tote geben

Titel: Es wird Tote geben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Georg Haderer
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17 … Ja, das habe ich mir auch gedacht … Bis gleich …“
    Aus dem Keller holte er einen Weißen und einen Roten, öffnete beide, stellte Ersteren in den Kühlschrank, schenkte ein Glas Sangiovese ein und ging in den Garten. Während er seinen beiden Tieren zusah, wunderte er sich über den spontanen Entschluss, diesen Drehbuchautor einzuladen. Wie viele Male war ihm denn in Wien die Decke auf den Kopf gefallen und er hatte es nicht fertiggebracht, jemanden anzurufen? Und jetzt? Lebte er in einem Dorf und hatte Angst, dass ihm der Himmel auf den Kopf fallen könnte – was immerhin schon die Gallier dazu bewogen hatte, ausschweifende Feste zu veranstalten. Zudem böte sich endlich wieder einmal die Gelegenheit zu einem Gespräch, das über die Orts- und Berufsgrenzen hinausführte. Das war keinesfalls gegen Bergmann oder Kamp gemünzt, mit denen er regelmäßig Kontakt hatte. Aber die beiden waren über die jahrelange Zusammenarbeit eben doch so etwas wie … Ehepartner geworden. Die einen in- und auswendig kannten, jede Lüge und jede falsche Ausrede durchschauten, jede Prahlerei zurechtrückten, fast jeden Fehler verziehen und ihn dementsprechend in die Pflicht nahmen. Sanders hingegen: Der hatte zwar den Mangel, keine Frau zu sein, aber immerhin würde Schäfer bei ihm noch als extravaganter Polizist und lebendes Vorbild für seine Kriminalromane durchgehen. Wer weiß, vielleicht würde er irgendwann sogar unter einem Pseudonym die Hauptrolle in einem literarischen Werk besetzen!
    „Oh … haben Sie sich verletzt?“, war Sanders erste Frage, als er über den niedrigen Holzzaun in den Garten stieg und Schäfer einhändig beim Aufrichten der Holzscheite für das Lagerfeuer sah.
    „Kleiner Küchenunfall, nicht weiter tragisch.“
    „Wollen wir die Pizza gleich essen oder …“
    „Oder kalt? … Nein, ich hole uns Teller und Messer … und Gläser.“
    „Was … was machen denn die Katze und die Krähe da?“
    „Das ist ein Rabe … erkläre ich Ihnen später.“
    Sie hatten gegessen, die Flasche Sangiovese geleert und die Sache mit den beiden Theatertieren geklärt. Und obgleich Schäfer kurz zuvor die Zunge locker und das Herz zum Bersten gewesen war, saßen sie nun schweigend da und wussten nicht, was reden. Die Vorfreude auf ein gutes Gespräch hatte sich von Schäfer verabschiedet wie die Sonne – kann jetzt nicht, morgen ist auch noch ein Tag.
    Was sollte er diesem Unbekannten denn erzählen? Für die meisten Ereignisse aus seinem Berufsleben galt das Dienstgeheimnis. Und für die aus seinem Privatleben das Dogma banal oder peinlich. Also stand Schäfer auf und entzündete das Feuer. Wartete, bis die Flammen aus dem Spanholz gierig an den pechigen Fichtenästen darüber leckten, und fächerte ihnen mit einem Stück Pappkarton Sauerstoff zu. Feuer, Furio! Brennt, Dämonen, brennt! Ah, wie willig sich die Scheiter nach einem kurzen Aufqualmen den Flammen ergaben. Wahrlich ein lustvolles Ritual, das Schäfer hier fast jeden Tag vollzog.
    „Eine Frage an Sie als Polizist“, hörte er Sanders sagen und sich gleich darauf räuspern, wohl weil ihm der redaktionelle Ton seiner Frage aufgefallen war, mit der er den im orangen Widerschein leuchtenden Major aus seiner Versenkung riss. „Wäre es eigentlich möglich, dass Sie mir Ermittlungsakten, also auf jeden Fall alte, dass Sie mir …“
    „Was wollen Sie damit?“
    „Zum Beispiel sehen, wie sich so eine Vernehmung tatsächlich anhört … wie die reden, die …“
    „Sie lügen.“
    „Ja, schon … aber wie Sie so einen dazu bringen, sich selbst zu verraten … oder zu gestehen … weil im Fernsehen ist das halt meistens so …“
    „Erlogen?“ Schäfer stellte sein Glas auf den Tisch und sah seinem Gast in die Augen. „Haben Sie schon einmal gegen das Gesetz verstoßen?“
    „Ich?“, Sanders überlegte einen Moment, „ja, schon.“
    „Sie sagen die Wahrheit“, Schäfer klopfte mit den Fingerknöcheln auf den Tisch, „sehen Sie: So einfach ist das.“
    „Ja, aber … jetzt verarschen Sie mich, oder?“
    „Ohne böse Absicht.“ Schäfer stand auf, nahm die Eisenstange, die an der Hauswand lehnte, stocherte im Feuer herum und legte vier dicke Scheiter nach. Er hob seinen Kopf zu den Sternen und merkte, dass der Alkohol ihn an eine Grenze gebracht hatte, über die hinaus ihm die Gesellschaft eines quasi Unbekannten am nächsten Tag ein gehöriges Maß an schlechtem Gewissen bereiten konnte. Will heißen: Scheiße, Schäfer, du Saufsau,

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