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Escape

Escape

Titel: Escape Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jennifer Rush
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konnte. Doch irgendetwas war anders. Vielleicht lag es an der Waffe, die er hinter seinem Rücken verborgen hatte.
    »Anna«, setzte er an. »Es tut mir sehr leid, dass du -«
    »Meinst du, ich habe genug Zeit, mal kurz aufs Klo zu gehen?«, unterbrach ich ihn und zeigte zur Drogerie auf der anderen Straßenseite.
    Er wirkte geknickt, doch er nickte. »Ja, ich denke schon.«
    Nachdem ich die Toilettentür hinter mir geschlossen hatte, atmete ich einmal tief durch und versuchte dann, meine brennenden Augen abzukühlen. Ich wusch mir die Hände und warf dabei einen flüchtigen Blick in den Spiegel. Ich hatte heute Morgen nicht geduscht, meine blonden Haare sahen stumpf aus, so wie trockener, spröder Weizen. Meine Augen waren schwer. Ich wirkte müde, aber erschreckenderweise nicht verstört. So, als hätte ich nicht gerade mit angesehen, wie Sam all diese Menschen umgebracht hatte. Ich sah immer noch aus wie Anna.
    Aber ich fühlte mich nicht mehr wie sie.
    In der Reihe mit dem Tierfutter stieß ich auf Trev. Sofort machten wir uns auf den Weg aus dem Geschäft.
    »Du musst keine Angst vor mir haben«, sagte er. »Ich bin immer noch derselbe.«
    Ich runzelte die Stirn. »Ich habe keine Angst vor dir.«
    Er deutete mit dem Kopf in meine Richtung. »Der Abstand zwischen uns sagt mir etwas anderes.«
    Ich versuchte, die Entfernung zu schätzen. Anderthalb Meter vielleicht.
    »Das war keine Absicht.«
    Sein mittlerweile zu lang gewachsener Pony hing ihm ins Gesicht und verbarg seine sanften braunen Augen. Ich hatte ihm immer vertraut. In einem normalen Leben wäre er ganz sicher der Typ gewesen, in den sich jedes Mädchen locker hätte verlieben können, schließlich war er klug, attraktiv und zuvorkommend.
    Ich vertraute ihm immer noch. Oder?
    Draußen erwartete Sam uns schon an der Straßenecke. »Geh zu Cas und Nick, die sind auf dem Parkplatz hinter diesem Gebäude«, sagte er zu Trev. Nach einem kurzen Blick zu mir setzte Trev sich in Bewegung.
    Aus der Bäckerei neben uns drang strenger Hefegeruch, der meinen Magen knurren ließ. Mir fiel wieder ein, dass ich es nicht mal geschafft hatte zu frühstücken, bevor Connor aufgekreuzt war. Noch ein Zeichen dafür, dass nichts mehr so lief, wie es sollte.
    »Du willst also wirklich ein Auto klauen?«, fragte ich, während ich Sam folgte, der in die entgegengesetzte Richtung ging, die Trev eingeschlagen hatte.
    »Ja. Vorausgesetzt, du hast nicht noch eins, das wir stattdessen nehmen können.«
    »Nein«, sagte ich. »Aber... Ich weiß einfach nicht, ob ich das gut finde.«
    Er sah mich an. »Jetzt ist nicht gerade der beste Zeitpunkt, mir mit Moral zu kommen.«
    Ich blieb stehen. »Was soll das denn heißen? Ich habe mich immer makellos verhalten.« Als er darauf nichts erwiderte, redete ich einfach weiter. »Weißt du was? Allmählich frage ich mich, ob ich dich je wirklich gekannt habe. Denn so etwas wie Moral kann ich in deinem Verhalten gerade beim besten Willen nicht mehr erkennen. Eigentlich erkenne ich dich überhaupt nicht wieder. Was ist denn mit dem Sam passiert, mit dem ich befreundet war?«
    Er kam ganz nah zu mir und sagte mit leiser Stimme: »Wir waren nie Freunde, Anna. Ich war fünf Jahre lang ein Gefangener in deinem Keller. Davor saß ich vermutlich ebenfalls nicht gerade kurz in einer anderen Zelle der Sektion.« Mitten auf seiner Stirn trat eine Ader hervor. »Ich wollte da raus, also habe ich getan, was ich musste, um dein Vertrauen zu gewinnen. Wenn du an meiner Stelle gewesen wärst, hättest du genau das Gleiche getan.«
    Seine Worte trafen mich. »Nein, hätte ich nicht. Ich hätte einfach mal gefragt.« Ich hob verzweifelt meine Arme. »Du hättest mich einfach nur um Hilfe bitten müssen.«
    Er setzte an, um etwas zu sagen, presste dann aber die Lippen aufeinander. Sein überraschter Gesichtsausdruck sagte eindeutig, dass ihm dieser Gedanke nie gekommen war. Mein Brustkorb fühlte sich hohl an, so als wären all die schönen Momente, die ich mit Sam geteilt hatte, herausgeschnitten und durch den Fleischwolf gedreht worden. Alles, was ich im Labor erlebt hatte, war nichts als eine Lüge gewesen.
    Tränen trübten meinen Blick. Wie dumm von mir zu glauben, dass ihm etwas an mir lag. Wie dumm zu glauben, dass er etwas in mir sah. Ich war nichts weiter als ein Werkzeug für ihn gewesen, das ihm bei seinem Ausbruch geholfen hatte.
    »Wir müssen weiter«, sagte er mit zusammengebissenen Zähnen und vermied es, mich anzusehen.
    Ich dachte kurz darüber

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