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ESCORTER (German Edition)

ESCORTER (German Edition)

Titel: ESCORTER (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christine Millman
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Angenehme Kühle rann Jakobs Rücken hinab, gefolgt von einem Gefühl der Taubheit, das ihm ein erleichtertes Seufzen entlockte. Luzifer lächelte.
    Ich bin verzweifelt. Was soll ich nur tun? Ein unwillkürlicher Gedanke, der nicht für Luzifer gedacht war.
    Der Lichtbringer zeichnete ein Symbol in die Luft, das einen Augenblick lang in der Dunkelheit leuchtete. Ein Kelch. »Du kannst es verhindern, wenn du bereit bist, den Preis zu zahlen.«
    Jakob wagte kaum zu fragen und dennoch, er musste es wissen. Was ist der Preis?
    Luzifer fasste ihn am Arm. »Schließe die Augen, halte sie geschlossen, bis ich dir erlaube, sie wieder zu öffnen.«
    Jakob tat wie geheißen. Luzifer berührte ihn mittlerweile schon zum dritten Mal und es machte ihm nicht das Geringste aus. Im Gegenteil. Jede Berührung barg einen Hoffnungsschimmer, das Versprechen auf Glück. Langsam drehte der Lichtbringer ihn einmal um sich selbst.
    »Nun sieh dich um, Jakob, Sohn zweier Welten.«
    Jakob öffnete die Augen. Er stand auf der Spitze eines hohen Berges und blickte auf ein weites, kahles Land. Kein Grün, nur eine endlose Aneinanderreihung von farblosen Häuserblocks, die irgendwo am Horizont in grauem Dunst verschwanden. Mitten durch das Land zog sich ein flammender Fluss, riesig in seinen Ausmaßen. Vom Berggipfel aus wirkte er wie ein unfassbar großer, nie versiegender Lavastrom, der das gesamte Land mit Helligkeit und Wärme speiste.
    »Deine Schwester trägt das Blut des Boten in sich«, erklärte Luzifer. »Und du die dämonische Kraft deiner Mutter. Du und deine Schwester, ihr seid zwei Seiten der Münze, seid Dunkelheit und Licht. Das, was du vor dir siehst, ist deine Heimat. Der Ort, an dem deine Wurzeln sind.«
    »Nein«, stieß Jakob laut hervor. Das ist nicht wahr. Dies ist nicht meine Heimat. Ich kontrolliere die Dunkelheit in mir.
    Luzifers goldgelbe Augen fixierten Jakob und zwangen ihn, seinen Blick zu erwidern. Kein Mitgefühl erkannte er in diesem Blick, auch keinen Zorn oder Neugier und auch keine Liebe. Nichts als gelassene Heiterkeit. »Du kannst sie nicht kontrollieren, Jakob. Niemand kann das. Das Blut deiner Mutter ist stark, so stark, dass dein Kommen nicht unbemerkt bleiben wird. Satan wird wissen wollen, wer du bist.«
    Wimmernd sank Jakob in die Knie, umfasste seinen Kopf mit den Händen. Er wollte Licht sein wie seine Schwester, und nicht Dunkelheit.
    Wer bin ich? Was bin ich? , hallte es in seinem Kopf.
    »Du bist Legion«, antwortete Luzifer. »Hüter der verlorenen Seelen, die durch deine Zeugung einen Weg in die Welt der Lebenden gefunden haben.«
    Ich verstehe nicht. Was bedeutet das?
    »Es bedeutet, du bist nicht allein. Besessenheit wird es von den Gläubigen deiner Welt genannt, multiple Persönlichkeit von den anderen.«
    Nein , schrie es in Jakobs Kopf. Das bin ich nicht. Ich bin nicht verrückt.
    »Das habe ich nicht behauptet«, erwiderte Luzifer.
    Jakobs Gedanken schwirrten vor unausgesprochenen Fragen, die er eilig verdrängte, weil er die Antwort nicht hören wollte.
    »Du musst deiner Schwester helfen«, antwortete Luzifer auf eine der vielen unausgesprochenen Fragen. »Sie sucht einen Weg hinaus. Hilf ihr, damit das Licht in ihr nicht verlischt.«
    Er hob den Arm und deutete auf die Unendlichkeit des düsteren Landes. Die goldene Rüstung und seine Haut erstrahlten hell, angefeuert von einer unsichtbaren Kraft. Geblendet kniff Jakob die Augen zusammen.
    »Sie wird Verrat bringen«, rief Luzifer. Plötzlich klang seine Stimme gar nicht mehr leise und zart. Tief war sie, so tief, dass es in den Ohren schmerzte. Ehrfurcht überfiel Jakob und Angst angesichts der Macht, die der Lichtbringer abstrahlte wie Hitze von einer Sonne. Seine Augen hefteten sich auf Jakob, der sich fühlte wie ein Wurm unter dem glühenden Blick. »Halte dich bereit, Jakob. Hier, auf dem Berg Zion, wird sich unser Schicksal entscheiden.«
     

 
     
     
     
28
     
    Doreé war froh, die Bewohner der Stadt ausschließlich hinter ihrer menschlichen Maske zu sehen, denn das Gewimmel in der untersten Etage des Tempels hätte sie sonst kaum ertragen. Technoklänge brüllten durch den riesigen Raum, untermalt von Laserblitzen. Die Dämonen in Menschengestalt tanzten und zuckten, die Augen geschlossen, den Kopf ekstatisch in den Nacken gestreckt. Immer wieder brach ihre wahre Gestalt hervor, zeigten sich Schuppen, Flügel, Klauen und Fell. Unter dem Glasboden lagen nackte Menschen, am Hals mit einer filigranen, wie ein Schmuckstück

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