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ESCORTER (German Edition)

ESCORTER (German Edition)

Titel: ESCORTER (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christine Millman
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Engel, ein dunkler, schöner und gefährlicher Engel.
    Ächzend richtete Doreé sich auf. Wie oft würde sie noch die Besinnung verlieren? Langsam wurde das inflationär.
    »Hier. Trink das, es wird dir helfen«, sagte der Mann. Die tiefe Bassstimme, eine Vollendung seines Erscheinungsbildes, vibrierte unter ihrer Haut. Seine Augen tasteten über ihren Körper, schienen jede Winzigkeit zu erfassen, jede Falte, jeden Makel, jeden Schmerz. Nichts schien ihm verborgen zu bleiben.
    »Wer sind Sie?«, fragte Doreé, ohne den Becher zu beachten, den er ihr entgegen streckte.
    Er schenkte ihr ein Lächeln, entblößte strahlendweiße, ebenmäßige Zähne. Konnte ein Mann so verstörend perfekt sein?
    Sie sog den Atem ein, nahm den Geruch auf, den er verströmte. Wild. Ungezähmt. Wie ein Tier. Gäap.
    »Ich bin der, den du gesucht hast«, bestätigte er.
    »Du bist Gäap?«
    Er nickte. »Trink das. Diese Welt wird leichter, wenn du sie in dir trägst, und es stillt zugleich deinen Durst und deinen Hunger.«
    Sie verstand nicht, was er meinte, nahm den Becher jedoch entgegen. Schwer und kalt lag er in ihrer Hand. »Ist er aus Zinn?« Warum fragte sie das? Machte es irgendeinen Unterschied, aus welchem Material der Becher gefertigt war? Wieder nickte Gäap. »Trink«, beschwor er sie.
    Sie fragte sich flüchtig, warum ihm das so wichtig war, doch da sie tatsächlich großen Durst verspürte, setzte sie den Becher an die Lippen und ließ die Flüssigkeit in ihren Mund rinnen. Es schmeckte wie einfaches Wasser, leicht schweflig im Abgang. Ein warmes Kribbeln rieselte durch ihre Eingeweide, als sie es hinunter schluckte. »Was ist das für ein Zeug? Irgendeine Droge?«
    Er lachte, reichte ihr seine Hand und half ihr auf die Beine. »Aber nein, es ist das Wasser des Flusses Gjöll. Es schenkt dir Kraft.«
    Kraft spürte sie zwar nicht in sich, aber eine angenehme Ruhe senkte sich auf sie hinab. Nicht übel, dieses Wasser. Sie leerte den Becher und reichte ihn Gäap, der in achtlos auf den Boden fallen ließ. Doreé beobachtete, wie er über den Asphalt rollte und an der Hauswand zum Liegen kam. Wer würde ihn aufsammeln? Sie hob den Kopf und sah sich um. Die Wesen auf den Straßen hatten wieder menschliche Gestalt und beachteten sie nicht mehr und nicht weniger als zuvor. »Was ist da drin passiert?«
    Gäap schüttelte tadelnd den Kopf. »Du hättest nicht sprechen dürfen. Wir können Menschen reinen Blutes nicht sehen, solange sie schweigen. Doch richten sie das Wort an uns, zerfällt der Schutz und offenbart uns, wer sie wirklich sind. Dann zeigen auch wir unsere wahre Gestalt und verlangen danach, den Verbannten in unseren Besitz zu nehmen. Ein Glück für dich, dass ich bereits eine ganze Weile auf dich warte und mich in der Nähe aufgehalten habe.«
    Was mit den Menschen geschah, die die Dämonen in ihren Besitz nahmen, wollte Doreé gar nicht wissen. Eine Ahnung davon hatte sie in der Bar bekommen. »Es tut mir leid. Ich habe nicht aufgepasst«, gab sie kleinlaut zu. »Aber wie hätten wir einander finden sollen, wenn du mich nicht sehen kannst und ich keine Ahnung habe, wo du bist?«
    Sanft strich er eine Haarsträhne aus ihrem Gesicht. »Ich konnte dich nicht sehen, aber riechen. Mein Geruchssinn und deine Beharrlichkeit hätten uns früher oder später zueinander geführt. Mit deiner Unachtsamkeit hast du die Suche allerdings erheblich abgekürzt.«
    Seine Finger wanderten über ihre Schultern, den Arm hinab bis zu ihren Fingerspitzen. Doreé erschauerte. Dieser Mann hatte etwas Betörendes an sich, etwas, das sie vollständig in seinen Bann zog.
    »Du hast geschummelt«, sagte er mit leiser Stimme. »Zugleich war es das Mutigste, was je ein Escorter getan hat.«
    »Es tut mir leid«, wisperte sie. Zu mehr war sie nicht imstande. Sein Lächeln hielt sie gefangen, brachte ihr Innerstes zum Erbeben. Was für ein Mann! Sie räusperte sich, zwang sich zu sprechen. »Sehen sie mich nun nicht mehr? Die anderen Dämonen?«
    »Nein.« Er legte eine Hand in ihren Nacken, bohrte seine Nägel in die winzigen Fugen zwischen den Nackenwirbeln. Es tat weh, doch Doreé versuchte nicht, sich zu befreien, konnte es gar nicht. »Ich stehe über diesem Dämonenabschaum und habe dich als mein gekennzeichnet. Niemand, der nicht einen höheren Rang bekleidet, kann dir etwas tun oder dich für sich beanspruchen, es sei denn, ich erlaube es.«
    Seine Worte erleichterten sie. Gleichzeitig machte es ihr Angst, wie sehr sie von seinem Wohlwollen

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