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ESCORTER (German Edition)

ESCORTER (German Edition)

Titel: ESCORTER (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christine Millman
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ihre Hand und drückte sie sanft. »Ich werde dir alles erklären. Hab keine Angst. Alles wird gut. Ich bringe dich in Sicherheit.«
    Unvermittelt schlug sie die freie Hand vor das Gesicht und brach in Tränen aus. »Das ist ein Albtraum.«
    David stieß einen Seufzer aus. »Ich wünschte, ich könnte dir widersprechen, aber das wäre gelogen.«
    Schluchzend blickte Doreé auf. Alles hätte sie erwartet, aber nicht eine solche Reaktion. »Was?«
    Er schenkte ihr ein mitleidiges Lächeln. »Die Dinge, die du erlebt hast, sind ein Albtraum, doch was dich erwartet, Doreé, ist nicht viel besser.«
    Doreé wich vor ihm zurück, presste sich gegen die Fahrertür. »Ach, sei doch still.« Was auch immer er zu sagen hatte, sie wollte es nicht mehr hören. Ihre Mutter, Ophelia, ihr Vater, die weißhaarige Frau, David, ja selbst die Albträume sollten bleiben, wo der Pfeffer wächst. Es waren Puzzleteile, die sie ganz bestimmt nicht zu einem Gesamtbild zusammenfügen wollte.
    David zuckte mit den Schultern und schwieg. Doreé starrte aus dem Fenster. Sie fühlte sich leer, schlaff, wie ein ausgeweideter Fisch. Häuser flogen an ihr vorbei, Menschen, Straßen, die sie in eine ungewisse Zukunft führten. So sehr sie auch versuchte, das Geschehen zu verdrängen, die Tatsache, dass sie ins Ungewisse fuhr, ließ sich nicht verleugnen.
    David zog sein Handy aus der Hosentasche, tippte eine kurze Ziffernfolge ein und wartete.
    »Hier ist David«, hörte Doreé ihn sagen, als jemand am anderen Ende abhob. Kurze Stille, dann: »Ja, sie ist hier. Es gab einen Zwischenfall.«
    Wieder sprach die andere Person und David stieß einen unwilligen Laut aus. »Ich weiß es nicht, Ben«, sagte er, und nach einer kurzen Pause. »Ja, ja, wir sind gleich da.«
    Er legte auf und warf ihr einen kurzen Blick zu. »Alles klar?«
    Sie nickte nur und starrte weiter aus dem Fenster. David bezeichnete die Begegnung mit ihrem Vater als einen Zwischenfall . Wie konnte er das, was für sie der blanke Horror gewesen war, nur als einen Zwischenfall ansehen? Was konnte schlimmer sein als ihr wie ein Tier gehaltener Vater, der aussah wie ein Wesen aus einem Horrorfilm? Was wusste David? Was verheimlichte er vor ihr?
     
    Wenige Minuten später stoppte David den Wagen vor einer alten Kaufmannsvilla. Eine Ansammlung von Tannen und eine Eiche, die mindestens ebenso alt zu sein schien wie das Gebäude, schirmten das Haus vor neugierigen Blicken ab. Obwohl Doreé sich aufgeregt und ängstlich fühlte, blickte sie nicht auf. Solange sie kein Interesse zeigte, ließ man sie vielleicht in Ruhe. Denn das war es, was sie wollte. In Ruhe gelassen werden. Wie die drei Affen. Nichts hören, nichts sehen, nichts sagen.
    »Wir sind da.« David schaltete den Motor ab und stieg aus. Da sie keine Anstalten machte, ihm zu folgen, ging er um den Wagen herum und öffnete die Beifahrertür. »Komm schon, Doreé. Du musst dich jetzt zusammenreißen.«
    Sie warf ihm einen abfälligen Blick zu und folgte ihm den schmalen Kiesweg entlang, vorbei an Haselnuss- und Weißdornsträuchern bis zur Eingangstür. Während David klingelte, sah Doreé sich unauffällig um. Das weiß getünchte Haus mit dem halbrunden Erker gefiel ihr um einiges besser als das Glashaus, in dem sie lebte. Ein solches Haus hätte ihre Mutter kaufen sollen und nicht so ein pseudomodernes Gebilde.
    An der schweren Holztür öffnete sich eine Klappe. Hinter den Eisenstäben, welche die Öffnung schützten, erschien ein unnatürlich blasses Gesicht mit hellblauen Augen, die sie abschätzend musterten.
    »Hallo, Aaron«, begrüßte David den Mann.
    Aaron zeigte durch keine Regung, dass er David erkannte. »Timotheus sechs zwölf«, sagte er statt einer Begrüßung.
    David rollte mit den Augen. »Ich bitte dich. Ist das denn wirklich nötig? Vor fünf Minuten erst habe ich Ben Nuru angerufen und ihn darüber informiert, dass wir kommen.«
    »Timotheus sechs zwölf«, wiederholte Aaron ungerührt.
    David griff sich an die Nasenwurzel und stieß zischend den Atem aus. »Kämpfe den guten Kampf des Glaubens; ergreife das ewige Leben, wozu du berufen bist.« Seine Stimme ließ keinen Zweifel daran, wie genervt er war.
    Aaron nickte und Doreé hörte, wie mehrere Riegel zurückgeschoben wurden, bis sich endlich auch die Tür öffnete.
    »Ben Nuru erwartet dich«, sagte Aaron. Sein Haar war ebenso weiß wie seine Haut und bis auf seinen dicklichen Bauch wirkte er schmächtig.
    »Danke«, zischte David und drängte sich

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