ESCORTER (German Edition)
rein und gut an ihm gewesen war, hatte sie zerstört. »Du hättest dem Clan Bescheid geben und ihnen die Entscheidung überlassen müssen. Du hast zu lange gewartet«, beschied Desoderia mit gebieterischer Stimme.
Eigentlich mochte sie Ophelia, soweit man eine Baba mögen konnte. Immer wieder hatte die alte Frau ihre Loyalität unter Beweis gestellt, war stets gehorsam und aufmerksam gewesen, doch der halbe Clan hatte sich im Keller versammelt, um zuzusehen, wie sie Ophelia für ihre Nachlässigkeit bestrafte. Sie durfte kein Erbarmen zeigen.
Ophelia sackte in sich zusammen. In einer hilflosen und zugleich unterwürfigen Geste streckte sie die Arme vor, mit den Handflächen nach oben. »Dann bestraf mich, Herrin.«
Ein zufriedenes Lächeln kräuselte Desoderias Lippen. Wieder einmal zeigte Ophelia, welch gehorsame Dienerin sie war, was zur Steigerung ihres Ansehens innerhalb des Clans beitrug. Desoderia mochte ihren willenlosen Mann nicht unter Kontrolle haben, doch ihre Dienerin ganz gewiss.
»Es ist gut, dass du das so siehst«, sagte sie und erhob sich. Die Schmerzen, die ihr die Bewegung verursachte, verbarg sie unter einem hochmütigen Lächeln. Die Ärztin hatte sie mit Schmerzmittel und Antibiotika vollgepumpt und ihre Verbrennungen mit Salbe versorgt. Der Escort wiederum löschte das Feuer mit seinem kalten Leib und beschleunigte die Heilung. Trotzdem quälten die Verbrennungen sie noch immer. Ständig musste sie dem Impuls widerstehen, sich die Kleider vom Leib zu reißen, weil sie an ihrer Haut rieben. Nur dank ihres Escorts, der übermenschlichen Stärke, die er ihr verlieh, lebte sie überhaupt noch.
Desoderia wandte sich einem attraktiven, in einen maßgeschneiderten Anzug gekleideten Mittvierziger zu, der mit vor der Brust gekreuzten Armen gegen einen Pfosten gelehnt stand und das Geschehen interessiert verfolgte. Amir Galeos, einer der drei Clanchefs höchstpersönlich, Träger eines Dämonenfürsten, wenn auch nur eines niedrigrangingen. Die tief hängenden Augenlider gaben seinem Blick den beständigen Ausdruck von Herablassung. Er sagte nichts, doch Desoderia wusste, dass er ihre Loyalität, ihre Führungsqualitäten prüfte. Sie hatte versagt. Das konnte geschehen. Kein Escorter wurde dafür gleich getötet oder verbannt, doch musste sie nun beweisen, dass sie es schaffte, ihren Fehler wiedergutzumachen. Sie hätte wissen müssen, dass Philippe sie in eine Falle locken würde, doch ihre Beziehung zu ihm hatte sie unvorsichtig werden lassen.
Mit einem Kopfnicken bedeutete sie Oliver und Marina, herbeizukommen und neben Ophelia Stellung zu beziehen. Ophelia stieß ein leises Schluchzen aus. Sie wusste, was jetzt kam, und sie ertrug es tapfer und unterwürfig.
Desoderia trat auf sie zu und blickte kalt auf sie hinab. Aus der Nähe sah Ophelia noch mitleiderregender aus. Die Wunden auf der Kopfhaut, wo sie sich die Haare ausgerissen hatte, das getrocknete Blut, die Bissspuren. Speichel hatte sich in ihrer bebenden Unterlippe gesammelt und rann nun in einem zähen Faden über ihr Kinn. Mit Tränen in den Augen sah sie zu ihr auf. »Herrin?«
»Du hast nicht geredet, als du hättest reden sollen«, sagte Desoderia. »Aus diesem Grund werde ich dir deine Zunge nehmen.«
Ein Murmeln unter den Clanmitgliedern bestätigte ihr die Richtigkeit ihrer Entscheidung. Die Zunge herauszuschneiden war eine harte, aber gerechte Strafe für das Versagen einer Dienerin. Sie warf Amir einen Blick zu. Der nickte zustimmend, ein Schmunzeln auf den Lippen. Seine Augen verdunkelten sich. Nicht zum ersten Mal erkannte Desoderia das Begehren in seinem Blick, hatte es bisher jedoch ignoriert. Nun, nachdem Philippe tot war, ließ sie die Vorstellung, das Interesse eines Clanführers zu erregen, erschauern. Das Spiel wäre nicht ungefährlich, aber reizvoll und zudem ihrem Rang zuträglich. Unwillkürlich fragte sie sich, wie lange Amir sie bereits auf diese Weise betrachtete, ohne dass sie es bemerkt hatte. Lange Zeit war sie vollständig auf Philippe bezogen gewesen. Nicht unbedingt aus Liebe – Escorter wilderten einfach nicht in fremden Gebieten, nicht einmal ein Clanführer, und selten paarten sie sich mit mehreren Partnern zugleich. Dafür war der Akt zu intensiv, zu aufwühlend und zeitaufwändig. Denn wenn sich Escorter paarten, dann geriet die Welt ins Wanken. Die Vorstellung, mit Amir an den Grundfesten ihres Seins zu rütteln, erregte sie und brachte ihren Escort zum Erbeben.
Mit einem schnellen Griff zog
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