ESCORTER (German Edition)
ungehalten an ihm vorbei. Doreé folgte David und ihr wiederum Aaron. Sie spürte förmlich seine Blicke im Rücken, und als sie sich kurz umdrehte, sah sie ihren Verdacht bestätigt. Aaron ließ sie nicht aus den Augen.
Zielstrebig führte David sie über das offene Treppenhaus hinauf in den zweiten Stock. Dort trat er durch eine Tür, hinter der sich eine wesentlich schmalere Treppe verbarg, die in das Dachgeschoss hinauf führte. Es bestand nur aus einem einzigen, riesigen Raum mit Schrägen zu beiden Seiten und einer Schiebetür, die auf eine wunderschöne Dachterrasse hinausführte. Der holzgetäfelte Boden sowie Buchsbäume und Palmen in riesigen Kübeln vermittelten fast den Eindruck von freier Natur. Mittendrin standen ein Ecksofa, mehrere Liegen und Korbstühle sowie Beistelltische aus Rattan. Ein Sonnensegel spendete den Sitzmöbeln und jenen, die sich darauf niederließen, Schatten. Eine Oase des Friedens inmitten der Großstadt.
Ben Nuru begrüßte sie lächelnd und deutete auf die Sitzgruppe. Er trug ein weißes, bis zur Brust geöffnetes Hemd, was ihn wie einen afrikanischen Zuhälter oder Drogenbaron aussehen ließ, wäre da nicht der tätowierte Rosenkranz auf seiner Brust gewesen.
»Willkommen in meinem Heim, Doreé«, sagte er und deutete neben sich auf das Sofa. »Bitte, nimm Platz.«
Doreé tat wie geheißen.
»Was möchtest du trinken? Wasser, Tee, Kaffee, Saft oder auch ein Glas Wein? Ganz wie es dir beliebt.«
»Wasser wäre mir recht, danke«, antwortete Doreé.
Während ihr Aaron das Gewünschte reichte, wandte Ben Nuru sich David zu. »Du hast etwas von einem Zwischenfall erwähnt. Was ist passiert?«
In knappen Worten erzählte David von Doreés Vater.
Ben Nuru hörte schweigend zu, die Hände über dem Bauch gefaltet. »Du hast recht daran getan, sie hierher zu bringen«, sagte er, als David seinen Bericht beendet hatte. Dann wandte er sich Doreé zu. »Es tut mir leid, dass du es auf diese Weise erfahren musst. Wir hätten vorgezogen, es dir schonender beizubringen.«
»Was erfahren?«, fragte Doreé.
Ein warmes Lächeln zerteilte Ben Nurus Lippen. »Wer du bist und mit wem du es zu tun hast.«
Doreé verstand noch immer nicht. »Was ist mit mir? Und was ist mit meinem Vater los?«
Ben Nuru seufzte. »Dein Vater ist ein gebrochener Mann, Doreé. Seine Seele wurde von der Dämonenträgerin, die sich deine Mutter nennt, zerstört. Anscheinend wollte sie ihn ihrem Willen unterwerfen, ihn zu ihrem Sklaven machen, doch es ist misslungen. Das bestätigt meine Annahme, dass es sich bei ihm um einen Boten handelt.«
Ein bittere Geschmack füllte Doreés Mund. Das konnte alles nicht wahr sein. Das war ein Albtraum, ganz bestimmt. Ben Nuru beugte sich zu ihr und umschloss ihre Hand mit seinen Fingern. »Wir können dich vor dem Dämon schützen, wenn du uns lässt.«
Doreé wich zurück, nervös krallte sie ihre Hände in den Saum ihres Shirts. »Ich verstehe nicht. Welcher Dämon?«
Ben Nuru atmete tief ein und stieß dann langsam und geräuschvoll die Luft aus seinen Lungen. »Es ist kaum zu glauben, wie unwissend du bist. Wie ist es deiner Mutter all die Jahre nur gelungen, ihre wahre Identität vor dir zu verbergen?«
Doreé zuckte nur mit den Schultern. Noch immer hatte sie keine Ahnung, worüber Ben Nuru eigentlich sprach.
Ben Nuru winkte Aaron herbei, der im Schatten der Terrassentür wartete, und flüsterte ihm etwas zu, woraufhin dieser nickte und die Terrasse eilig verließ. Dann wandte er sich wieder an Doreé und deutete auf ihren Arm. »Er soll Jod und ein Antibiotikum holen. Wegen der Wunde.«
Angesichts des brennenden Schmerzes, den die Bisswunde verursachte, und des Zustands ihres Vaters hielt Doreé die Behandlung für durchaus angebracht, obwohl sie sie lieber in die Hände eines Arztes gelegt hätte. Sie warf David einen argwöhnischen Blick zu und überlegte, ob die Tatsache, dass diese Leute sich mit Bisswunden auskannten, nicht ein weiterer Grund zur Besorgnis war. Ben Nuru unterbrach ihre Grübeleien. »Also gut, wir sollten dich nicht länger im Unklaren lassen.«
Er wartete, bis sie ihm durch ein Nicken signalisierte, dass sie ihm ihre volle Aufmerksamkeit schenkte und begann zu erzählen. Er erzählte ihr alles, schonte sie nicht, und Doreé hörte schweigend und mit zunehmender Fassungslosigkeit zu. Ben Nuru offenbarte ihr eine Welt, die sie sich nie hätte vorstellen können. Ihre Mutter hatte Geheimnisse. Das überraschte Doreé nicht. Doch dass sie
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