ESCORTER (German Edition)
Manipulators in Gefahr bringen?«
Olivia schluckte schwer. »Es tut mir leid. Darüber habe ich nicht nachgedacht.«
Wütend krallte Desoderia ihre Finger in die Decke. Der Zorn brannte so heiß wie ihre Schmerzen. »Geh, schick Oliver und Marina zu meinem Haus. Sie sollen sie holen, und zwar schnell!«
Olivia nickte und stürzte aus der Kammer.
Desoderia sackte in sich zusammen und lehnte sich erschöpft zurück. Ihre Haut stand in Flammen, schien kaum noch mit dem darunter liegenden Fleisch verbunden. Wann kam endlich diese verfluchte Ärztin?
11
Adám Lakatos stierte Doreé schweigend an. Doreé stand starr vor Entsetzen und Schreck. Tausend Gedanken purzelten durch ihren Kopf, verketten sich zu einem Wust widerstreitender Gefühle. Was war mit ihrem Vater geschehen? Wieso wirkte er so … unmenschlich? Er sah aus wie das Requisit aus einem Horrorfilm. Und vor allem: Wer hatte ihn eingesperrt? Ihre Mutter?
Langsam hob ihr Vater einen Arm. Dürre Finger mit krallengleichen, gelben Fingernägeln, unter denen Reste getrockneten Blutes klebten, streckten sich ihr entgegen. Er stieß einen schaurigen Laut aus, der Doreé eine Gänsehaut bescherte, die sich über ihren gesamten Körper zog.
»Papa?«, wisperte sie. »Was ist mir dir?«
Die bleichen Finger näherten sich ihrem Gesicht. Instinktiv wich sie einen Schritt zurück. Ekel spülte über sie hinweg. Dieser ausgemergelte, stinkende Leib vor ihr hatte nichts mehr gemein mit ihrem großen, starken Vater.
»D … D … Do … iie«, krächzte er.
Doreés Knie wurden weich. Ihre Hände zitterten so stark, dass sogar ihre Arme wackelten, und sie verspürte den starken Drang, wie ein kleines Kind auf den Boden zu sinken, die Hände vor das Gesicht zu schlagen und geh weg zu schreien. Das konnte unmöglich real sein. Halluzinierte sie? Hatte sie vielleicht den Verstand verloren?
»Oh Gott, bitte«, wimmerte sie. »Bitte nicht.«
Worum sie bat, wusste sie nicht. Es waren die einzigen Worte, die sie noch hervorbrachte. Alle anderen hatten sich beim Anblick ihres Vaters verflüchtigt.
Adám Lakatos näherte sich, schwankend wie ein Betrunkener, die Hände ausgestreckt, als wollte er sie umarmen oder erwürgen oder beides.
»Do … iiie«, hauchte er.
Er erkennt mich , schoss es Doreé durch den Kopf. Ganz langsam, in Zeitlupe fast, hob sie ihre Hand und führte sie zu der ihres Vaters. Vielleicht würde die Halluzination verschwinden, sobald sie ihn berührte. Zaghaft legte sie die Fingerspitzen auf seine Haut. Kalt fühlte sie sich an und aufgedunsen, wie ein aufgeblähter Kadaver.
Er öffnete die Lippen, die nicht mehr waren als ein Loch in seinem Gesicht. Seine Mundwinkel zogen sich zu den Wangen hinauf, ließen die Augen noch tiefer in die Höhlen sinken. Gelbbraune Zahnstümpfe, durchsetzt mit breiten Lücken, blitzten hervor. Fauliger Atem wallte ihr entgegen, trieb ihr Tränen der Fassungslosigkeit und Abscheu in die Augen.
Er ließ die Hände sinken. »Do … iie.«
»Papa.« Doreé zwang sich zu einem Lächeln, während Tränen über ihre Wangen kullerten. Vorsichtig verschränkte sie ihre Finger mit seinen. So knochig und kalt, so erbarmungswürdig und abstoßend. »Du brauchst Hilfe, Papa. Ich rufe einen Krankenwagen, okay?«
Er blähte die Nasenflügel und schnüffelte wie ein Tier, das Witterung aufnimmt.
»Ich gehe jetzt nach unten und rufe einen Krankenwagen«, wiederholte sie. »In Ordnung?«
Er sah sie an. Die dunklen, blutunterlaufenen Augen glänzten fiebrig. Sein Kopf ruckte vor, schnüffelte, sog ihren Geruch ein. Doreé löste ihre Finger und wich instinktiv zurück. Seine Hand schnellte vor, viel schneller, als sie es aufgrund seines Zustands für möglich gehalten hätte, und umklammerte ihr Handgelenk. »Papa, bitte, lass mich los.«
Doch er hörte nicht auf sie, im Gegenteil. Sein Griff verstärkte sich, wurde eisenhart.
Doreé versuchte, ihn abzuschütteln. »Au. Du tust mir weh.«
Er schnüffelte wieder, kam näher, stand nun ganz dicht vor ihr. Wild war sein Blick und gierig. Keine Spur mehr von Erkennen. »Lass mich los oder ich steche zu.« Warnend hob Doreé das Messer.
Adám Lakatos öffnete den Mund weit, renkte seinen Kiefer aus, sodass Doreé in seinen aufgerissenen Schlund blicken konnte. Sie stolperte rückwärts, versuchte verzweifelt, sich aus seinem Griff zu lösen. Er zerrte ihren Arm zu seinem Mund, der so weit offen stand, dass ihre Hand vollständig hineinpasste, und biss zu.
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