ESCORTER (German Edition)
keine Kirche. Unser Körper ist das Haus des Herrn und nicht irgendein von Menschenhand errichtetes Gebäude aus Stein.«
Er sprach mit Inbrunst, wild gestikulierend, und obwohl Doreé interessiert seinen Worten lauschte, konnte sie den Blick nicht von seinem nackten Oberkörper abwenden. Seine Gegenwart machte sie nervös und sie wünschte sich, er würde sich endlich etwas anziehen, vor allem weil sie befürchtete, ihm könnte das Handtuch von der Hüfte rutschen.
Zu ihrem Entsetzten schlüpfte David nur mit einer Unterhose bekleidet zu ihr ins Bett. Er roch nach Seife und Doreé verspürte plötzlich das Bedürfnis, ihren Kopf auf seine Schulter zu legen und ihn zu umarmen. Doch bevor sie beschließen konnte, den Gedanken in die Tat umzusetzen, wünschte er ihr eine gute Nacht, drehte ihr den Rücken zu und löschte das Licht. So liebevoll er vor dem Bad gewesen war, so abweisend zeigte er sich jetzt. Kälte drang ihm aus jeder Pore, baute sich zwischen ihnen auf wie eine unsichtbare Wand. Je mehr sie sich nach Nähe sehnte, umso abweisender schien er zu werden.
Eine Weile spukte sein Verhalten noch in ihrem Kopf herum, bevor sich der Schatten wieder in ihre Gedanken stahl und der tote, junge Mann. Statt David begleiteten die beiden sie in den Schlaf, sorgten für unheilvolle Träume.
* * *
Als Doreé erwachte, stand sie Sonne bereits hoch am Himmel. Warme Strahlen kitzelten ihr Gesicht. Einen Augenblick lang war sie verwirrt, wusste nicht, wo sie sich befand, bis die Erinnerung an die Fahrt nach Súľov zurückkehrte. Das Bett neben ihr war leer. Sie lauschte und hörte David und seinen Vater leise miteinander sprechen. Wenigstens stritten sie nicht, was sie als gutes Zeichen wertete.
Sie setzte sich auf und schob sich aus dem Bett. Die Reisetasche stand auf einem Stuhl neben dem Fenster. Sie hatte noch immer nicht ausgepackt. Kurze Zeit später drang eine Melodie durch die geschlossene Tür zu ihr herein. Davids Vater sang ein Lied, das nach Kirchenmusik klang, traurig und ein wenig disharmonisch. Schnell streifte sie ihre Jeans über und ging barfuß in den Flur. Der Duft nach gebratenem Speck und frischem Brot begrüßte sie. Augenblicklich lief ihr das Wasser im Mund zusammen und ihr Magen knurrte vernehmlich. Seit Tagen hatte sie nicht mehr einen solchen Appetit verspürt. Ihr Hunger überraschte sie, wie so vieles, seit sie in diesem Haus weilte.
Sie fand David und seinen Vater in der Küche an dem kleinen, wackeligen Plastiktisch sitzend. »Guten Morgen«, sagte sie.
»Dobré ráno!«, erwiderte Jaromir in herzlichem Ton. »Dobre si sa vyspal?«
Entweder hatte er vergessen, dass sie kein slowakisch sprach oder er ignorierte die Tatsache. Sie lächelte entschuldigend und warf David einen fragenden Blick zu.
»Er will wissen, ob du gut geschlafen hast?«
»Oh ja, das habe ich. Zum ersten Mal ist mir nicht dieser geflügelte Hengst erschienen.«
David wandte sich seinem Vater zu und sagte etwas auf Slowakisch. Doreé hörte den Namen Gäap heraus. Jaromirs Gesichtsausdruck wechselte von erschrocken zu bekümmert. Er wandte sich ihr zu und sagte etwas. Schmerzhaft zog sich ihr Herz zusammen unter seinem väterlichen Blick. Wie sehr vermisste sie jemanden, der sie so voller Sorge und Verständnis ansah.
David sprang auf, lief zu dem Gasherd, auf dem eine Pfanne mit Rührei und Speck vor sich hin brutzelte, und füllte das Essen auf einen bereitstehenden Teller. »Setz dich. Du solltest frühstücken, bevor wir darüber sprechen, wie es weitergeht.«
Doreé folgte seiner Anweisung. Jaromir reichte ihr eine Tasse Milchkaffee und eine dicke Scheibe warmen Brotes mit Butter. »Essen«, sagte er. »Du brauchen Kraft.«
Ungeduldig und hungrig schlang Doreé das Frühstück hinunter. Sie wollte endlich wissen, was die beiden ihr zu sagen hatten. Kaum hatte sie den letzten Bissen verzehrt, sah sie David an. »Also, was ist?«
Er stieß einen tiefen Seufzer aus und wirkte plötzlich bekümmert. Hilflos sah er zu seinem Vater, als hoffte er, dass dieser an seiner Stelle antworten würde.
Jaromir wedelte mit der Hand in Doreés Richtung. »Ich übernehmen Schutz, du Reden.«
»Schutz?«, fragte Doreé.
»Das Haus meines Vaters ist durch alle möglichen Banne geschützt«, erklärte David. »Einmal durch seine Arbeit als Küster und die damit verbundene Nähe zum Herrn. Aber vor allem auch durch die schützenden Worte. Aus diesem Grund hat er weder Telefon noch einen Fernseher. Geräte
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