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ESCORTER (German Edition)

ESCORTER (German Edition)

Titel: ESCORTER (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christine Millman
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Quatsch, David! Wir haben es geschafft. Rede das jetzt bitte nicht schlecht.«
    Nun richtete er sich ebenfalls auf, betrachtete ihr Gesicht, ehrfürchtig, wie eine Heiligenstatue. »Vielleicht hast du recht, vielleicht auch nicht. Vielleicht war ich einfach nur verblendet von meinem Verlangen und meiner Liebe zu dir.«
    Eine dunkle Wolke senkte sich auf Doreé. Sie ahnte, worauf das hinauslief. Zuviel Glauben steckte in ihm. Zu viel Ehrfurcht vor einer Macht, die größer war als er. Er würde sich bestrafen und dank Kurt wusste sie auch wie. Wie zur Bestätigung küsste er ihre Stirn und schob sich dann vom Bett.
    »Wo gehst du hin?«, fragte sie.
    »Ich muss fort, eine Weile alleine sein«, erwiderte er. Das war keine Antwort auf ihre Frage, aber es verdeutlichte ihr, dass er nicht gedachte, sie über sein Vorhaben zu informieren. Sie erwog, ihn darauf anzusprechen, ihn zu einem Geständnis zu zwingen und ihn dann zu überreden, es nicht zu tun. Doch seine fahrigen Bewegungen und der gequälte Gesichtsausdruck zeigten ihr, unter welchem Druck er stand und dass er es tun musste, um wieder mit sich selbst ins Reine zu kommen.
    »Okay.« Dass er ging, sie alleine zurückließ, unmittelbar nach diesem besonderen Augenblick, frustrierte sie. Warum konnte er nicht akzeptieren, wie gut es gelaufen war? Warum marterte er sich mit Selbstvorwürfen? Ob sie wegen eines höheren Zwecks miteinander geschlafen hatten oder nur zum Vergnügen, war zweitrangig angesichts der Tatsache, dass der Bann endlich gebrochen war.
    Nachdem er das Zimmer verlassen hatte, streifte Doreé eines seiner T-Shirts und einen Slip über und löste die Seile von den Bettpfosten. Da sich ihre Scham wund anfühlte, tapste sie ins Bad und wusch sich mit kühlem Wasser. Sie lauschte auf David, konnte ihn jedoch nirgends hören. Vielleicht war er weggefahren zu seinem Steinhaufen, um sich dort zu geißeln. Sie schämte sich für die Abfälligkeit, mit der sie diesen Gedanken verfolgte.
    In der Küche entzündete sie den Gasherd und setzte den Wasserkessel auf, um sich einen Tee zu bereiten. Draußen vor dem Fenster hörte sie Jaromir das traurige Lied summen, das er auch schon tags zuvor gesungen hatte. Neugierig spähte sie hinaus und lauschte. Jaromir saß auf der Holzbank neben dem Eingang. In der Hand hielt er eine verblasste Fotografie mit zerknitterten Rändern und einen Rosenkranz aus so dunklem Holz, das er fast schwarz wirkte. Wie er dasaß, selbstversunken, den traurigen Welpenblick auf das Bild gerichtet und zugleich die Perlen des Rosenkranzes in der Hand drehend, wirkte es fast, als hätte er nur darauf gewartet, dass David das Haus verlassen würde, um sich ungestört seinen Erinnerungen hingeben zu können. Doreé konnte nicht genau erkennen, wer auf dem Foto abgebildet war, nur dass es sich um eine Frau handelte. Vermutlich Davids Mutter. Plötzlich fiel ihr auf, dass kein einziges Bild von ihr irgendwo stand oder hing, und sie fragte sich, warum Jaromir die Frau aus seinem Leben verbannt hatte, nur um sie dann heimlich zu betrachten. So viele Geheimnisse, so viel Traurigkeit beherbergte dieses Haus. So viele unausgesprochene Fragen.
    Der Wasserkessel begann zu pfeifen und sie goss den Kräutertee auf. Im Schrank fiel ihr die Flasche Borovicka ins Auge und sie beschloss spontan, sich einen zu genehmigen. Mit Schnaps und Tee bewaffnet, kehrte sie ins Gästezimmer zurück, setzte sich an das Kopfende des Bettes und wartete auf Davids Rückkehr. Währenddessen erforschte sie ihre Gefühle, versuchte zu unterscheiden, welche ihre waren und welche davon die Gefühle ihrer Mutter. Sie konnte Zorn spüren und Ungeduld, dazwischen eine freudige Aufgeregtheit, die ganz sicher damit zu tun hatte, dass die Escorter ihre Spur gefunden hatten. Sie näherten sich. Langsam noch, doch lange würde es nicht mehr dauern, bis sie den Weg hierher gefunden hatten.
    Der Gedanke machte ihr Angst, sodass sie schnell den Wacholderschnaps trank, um ihre Nerven zu beruhigen. Sie sehnte David herbei, wollte mit ihm über die Bedrohung sprechen. Vielleicht könnte sie ihn dazu überreden, mit ihr zu fliehen. Unterzutauchen irgendwo am Ende der Welt.
     
    David kehrte erst gegen Abend zurück. Er wirkte blass und mitgenommen. Wider besseres Wissen hoffte Doreé, dass er sich nicht gegeißelt hatte, doch seine vorsichtigen Bewegungen und die zischenden Laute, die er erfolglos zu unterdrücken versuchte, belehrten sie eines Besseren. Beim Abendessen saß er steif auf

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