ESCORTER (German Edition)
entzündet und sie mit roter Farbe bemalt. Zumindest glaubte sie, dass es Farbe gewesen war. Und dann hatte Mutter gesprochen, seltsame Worte in einer fremden Sprache, und Doreé hatte schreckliche Angst bekommen, weil etwas Dunkles unter der Haut ihrer Mutter huschte und weil ihr plötzlich so schrecklich heiß wurde. Sie hatte geweint, weil es so brannte. Daran erinnerte sie sich. Und Ophelia hatte mitleidig geblickt, aber sie hatte sie nicht getröstet wie sonst immer. Dann war da ein Messer, nein, ein Dolch. Er schimmerte und zitterte komisch in der Hand ihrer Mutter. Mit diesem Ding schnitt sie eine Strähne ihres Haares ab und ritzte ihr etwas in den Bauch, etwas ganz Kleines nur, aber es tat weh. Doreé weinte, bis Ophelia sie auf ein Nicken ihrer Mutter hin endlich in die Arme nahm.
Die Erinnerung verblasste. Dunkelheit hüllte sie ein und sie fiel immer tiefer und tiefer, entfernte sich von dieser Welt. Ich sterbe , dachte sie und war plötzlich ganz ruhig. Sterben erschien ihr nicht schlimmer als Leben. Keine Schmerzen, keine Sorgen, keine Einsamkeit.
Irgendwo in dem Nichts entflammte ein Licht. Sie wimmerte leise vor sich hin, so sehr sehnte sie es herbei, dieses Licht, das ihr so warm und tröstlich erschien, obwohl es so winzig klein war und fern. Doch es wurde rasch heller, hüllte sie schließlich ein, vertrieb den Schmerz und die Dunkelheit. Und in dem warmen Schein sah sie plötzlich ihren Vater. Er reichte ihr die Hand, wie nur ein Vater es konnte. Obwohl sich seine Lippen nicht bewegten und kein Laut aus seinem Mund drang, konnte sie seine Stimme hören. Sein Herz sprach zu ihrem.
Erst der Schatten zeigt das Licht . Das Lächeln, das er ihr schenkte, war wie eine Berührung, wie Trost in schwerer Stunde, wie ein Funken in einem Augenblick der Hoffnungslosigkeit.
»Du trägst mein Blut und das Blut des Herrn«, fügte er hinzu. »Nutze deine Macht.«
Doreé wollte ihn festhalten, wollte den Vater festhalten, der ihr so früh entrissen worden war, doch plötzlich spürte sie ihr Herz wieder schlagen. Schnell und hart trommelte es gegen ihre Rippen. Sie öffnete die Augen.
»Du leuchtest«, sagte David. Er lag auf ihr, in ihr. Er sah sie ehrfürchtig an. Dass ein Mann Erregung, Erstaunen und Verzweiflung zugleich empfinden konnte, hätte Doreé niemals geglaubt, doch genau das waren die Gefühle, die sich in seinem Gesicht spiegelten.
»Binde mich los«, bat sie. Er fragte nicht warum, er tat es einfach, und sie war ihm dankbar dafür, denn mehr als diese drei Worte hätte sie nicht zu sprechen vermocht. Mit fahrigen Fingern löste er ihre Fesseln. Sie zog ihn wieder auf sich, in sich, krallte die Finger in seinen Rücken, hob sich ihm entgegen. Sie wollte ihm nahe sein. Einen Augenblick lang war sie tot gewesen und nun wollte sie das Leben spüren, wollte den Beweis dafür, dass der Bann gebrochen war.
»Himmel Doreé«, keuchte er. »Sag, dass ich mich bewegen darf, bitte.« Statt einer Antwort verschloss sie seinen Mund mit ihren Lippen und atmete seine Erregung. Er bewegte sich, zaghaft zuerst, dann langsam schneller werdend. Doreé spürte ihn. Es fühlte sich gut und richtig an. Plötzlich richtete er sich auf und sie blickte auf die Schriftzeichen auf seiner Haut, die sich in dem Spiel seiner Muskeln bewegten. Lichtreflexe jagten über seinen Körper, ob vom Sonnenlicht oder von etwas, das nicht zu dieser Welt gehörte, konnte sie nicht sagen, nur dass es sie verzückte. Sie sah, wie er in sie stieß, und der Anblick ließ ihr Innerstes erbeben. Haut auf Haut, Feuchtigkeit und Härte. Hitze. Sein Gesicht verzerrte sich, als er mit einem letzten Stoß den Höhepunkt erreichte.
Sprachlos lagen sie nebeneinander. Wohlige Erschöpfung erfüllte Doreé. Sie hatte es geschafft. Glücklich lächelnd drehte sie sich zu David um, schlang einen Arm um seine Hüfte und legte den Kopf auf seine Brust. Eine vertraute Geste, die ihr trotz ihrer Fremdheit richtig erschien. Minutenlang genoss sie das Gefühl der Befreiung und des Triumphs. Erst das Zucken, das seinen Brustkorb zum Erbeben brachte, ließ sie aufblicken. Er weinte.
Geschockt richtete sie sich auf. »Was ist mir dir? Warum weinst du?«
Beschämt wischte er die Tränen fort, die sich aus seinen Augen gestohlen hatten. »Du bist gestorben, Doreé«, stieß er hervor. »Ich habe es gesehen. Ich war in dir und du warst tot und dann hast du … ich weiß nicht … geleuchtet, wie ein Engel. Dafür wird der Herr mich strafen.«
»So ein
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