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ESCORTER (German Edition)

ESCORTER (German Edition)

Titel: ESCORTER (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christine Millman
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seinem Stuhl, aß mit wenig Appetit und ignorierte die vorwurfsvollen Blicke seines Vaters. Irgendwann brach Jaromir das Schweigen und begann auf Slowakisch auf ihn einzureden. Zwar verstand Doreé kein Wort von dem, was sie sprachen, aber selbst sie erkannte, dass Davids Antworten einsilbig und unfreundlich waren und dass Jaromir immer hektischer sprach.
    Schließlich sprang der alte Mann wutentbrannt vom Stuhl, deutete anklagend auf David und sagte an Doreé gewandt: »Er sein dummer Junge, so dumm. Du bringen zur Vernunft oder er tot wie Mutter.«
    Unangenehm berührt sah Doreé zu ihm auf. Sprach er von der Geißelung oder ging es hier um mehr? »Ich wollte ihn abhalten, aber er hört einfach nicht auf mich.«
    Die Enttäuschung in Jaromirs Gesicht war unübersehbar. Aus irgendeinem Grund fühlte Doreé sich, als hätte sie den alten Mann verraten, dabei wusste sie nicht einmal, worüber die beiden eigentlich stritten.
    David stieß einen zornigen Laut aus, sprang vom Stuhl und stapfte davon. Doreé folgte ihm eilig.
    »Was ist mir dir?«, fragte sie, als sie das Zimmer betrat. »Hat deine … Selbstbestrafung etwa nichts genutzt?«
    Vorsichtig zog er das T-Shirt über den Kopf, hockte sich auf den Bettrand und barg das Gesicht in den Händen. »Es hat gedauert, aber doch, es hat etwas genutzt. Ich fühle mich jetzt leichter.«
    Doreé kroch hinter ihm aufs Bett und betrachtete seinen Rücken. Ein erschrockener Laut entfuhr ihr bei dem Anblick. Zahllose, blutige Striemen zogen sich kreuz und quer über seine Haut, zerhackten die Schriftzeichen in unlesbare Bruchstücke.
    »David, warum tust du das?«
    »Ich habe es ein wenig übertrieben«, sagte er matt. »Kurt wäre stolz auf mich.«
    Dass er gerade Kurt erwähnte, verdeutlichte ihr, wie stark er noch immer mit den Gideonisten verbunden war. »Willst du wieder zu ihnen zurück?«
    Er schüttelte den Kopf. »Nein.«
    Da er sich nicht weiter dazu äußerte, inspizierte sie die Striemen. »Die müssen gereinigt werden«, stellte sie fest. »Warte hier.«
    Bei Jaromir lieh sie sich eine Schüssel, in die sie lauwarmes Wasser und einen Schuss Jodtinktur füllte. Dann bat sie David, sich auf den Bauch zu legen, holte einen sauberen Waschlappen und begann vorsichtig, die Wunden abzutupfen. Mit jedem Striemen, den sie behandelte, fühlte sie sich näher mit ihm verbunden. So unterschiedlich ihre Vorstellungen auch waren, liebte sie ihn gerade wegen seiner Fehler auf eine Weise, die nichts mehr mit den Schwärmereien einer jungen Frau zu tun hatten. Sie mochten ihre Differenzen haben. Trotzdem würde sie bei ihm bleiben und er bei ihr. Eine Tatsache, so unveränderbar wie das Leben selbst. »David. Glaubst du, wir sollten fliehen?«
    Ein paar Sekunden lang schwieg er und Doreé befürchtete schon, dass er ihr nicht antworten würde. »Sollten wir?«, gab er die Frage schließlich zurück.
    »Wenn wir hier nicht sicher sind, dann ja.«
    »Wir werden nirgendwo sicher sein«, gab er zu bedenken.
    »Dann bleiben wir eben nirgendwo lange. Ich habe etwas Geld. Wenn wir sparsam sind, können wir uns eine Weile über Wasser halten. Vielleicht verlieren die Escorter ihr Interesse an mir, jetzt, wo du mich entjungfert hast. Deshalb haben wir es schließlich getan, oder? Und wenn ich erst mal einundzwanzig bin ...«
    Sie ließ den Satz unvollendet, stand auf und kramte die Heilsalbe, die sie neben seinen Socken im Schrank gefunden hatte, hervor.
    »Sie werden uns schon aus Rache verfolgen«, sagte er.
    Doreé runzelte die Stirn. »Bist du dir sicher? Wofür dann das alles, wenn sie uns sowieso früher oder später in die Hände bekommen?«
    David drehte den Kopf und blickte zu ihr auf. »Wir haben es für die Menschheit getan.«
    Doreé stieß ein freudloses Lachen aus. Seine Worte klangen wie ein schlechter Scherz, aber David scherzte nicht über die Escorter und die Gideonisten und auch nicht über Gott, das hatte sie mittlerweile festgestellt. »Jetzt wirst du aber theatralisch.«
    Ächzend drehte er sich auf die Seite und stemmte sich hoch. »Ein Manipulator kann Weltkriege entfesseln, Doreé, er verursacht Massenhysterien, bildet Terrorzellen oder Sekten. Er weckt die dunkle Seite in allem und jedem. Wenn wir unser Leben lassen müssen, um zu verhindern, dass er diese Welt erneut betritt, dann dürfen wir nicht zögern.«
    Seine Worte erschreckten sie. Davon, ihr Leben zu lassen, war nie die Rede gewesen. War nicht die Rettung ihres Lebens der Grund, warum er die Gideonisten

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