ESCORTER (German Edition)
brauche dich, Desoderia. Wir dürfen nicht versagen.«
Zum ersten Mal wurde ihr bewusst, dass auch Amir unter Erfolgsdruck stand. Selbst ein Clanführer hatte jemandem, der ihm Befehle erteilte und erwartete, dass sie ohne Zwischenfälle und zu seiner vollsten Zufriedenheit ausgeführt wurden.
Marina schlich geduckt an der Hauswand entlang auf sie zu. »Es gibt keine Hintertür. Die Fenster sind alle geschlossen. Oliver ist es nicht gelungen, sie zu berühren. Wir vermuten, dass das Haus durch einen Bann geschützt ist«, erklärte sie.
Gedankenverloren betrachtete Amir das unscheinbare Haus und ließ währenddessen die Plastikbox in seinen Händen kreisen. »Das war zu erwarten. Wer wohnt hier?«
»Ein gewisser Jaromir Mazur, der Küster dieser Gemeinde«, erwiderte Marina.
Amir versuchte, es zu verbergen, doch bei der Erwähnung von Jaromir Mazur flackerte sein Blick und er zuckte kaum merklich zusammen. Die wilde Entschlossenheit, die er einen Herzschlag später zur Schau trug, bestätigte Desoderias ersten Eindruck. Jaromir Mazur war kein Unbekannter für ihn.
»Dann lasst uns den Bann brechen«, zischte er. »Der Schatten wird uns helfen.«
Damit entriegelte er die Box und öffnete sie. Marina stieß einen erschrockenen Laut aus. Ihr Escort huschte sichtbar unter ihrer Haut, bevor er sich in ihr Inneres zurückzog. Sie trägt einen Blender , schoss es Desoderia durch den Kopf. Nicht gut . Schatten und Blender waren wie Feuer und Eis.
»Du solltest dich in Sicherheit bringen«, warnte Amir an Marina gewandt, während der Schatten in einem dünnen, schwarzen Strahl entwich. »Die anderen sollen versuchen, den Bann zu brechen.«
Amir bedeutete Desoderia, ihm zur Eingangstür zu folgen. Der Schatten hing wie eine Gewitterwolke über ihren Köpfen. »Wir befreien unsere Begleiter«, sagte Amir.
Erschrocken schnappte Desoderia nach Luft. Das wurde ja immer verrückter. Wie konnte Amir nur so etwas befehlen? »Hältst du das für eine gute Idee?« Sie versuchte ruhig zu bleiben, so zu tun, als wäre es nichts Besonderes, den Escort zu befreien, damit er sich materialisieren konnte. In ihrem Inneren erzitterte sie. Während der Dämon draußen verweilte, würde sie eine hilflose Hülle sein. Das war gefährlich. Andererseits – nur ein Dämon, der nicht unter den Einschränkungen lebendigen Fleisches stand, vermochte, einen Bann zu brechen.
»Wir haben keine andere Wahl«, erwiderte Amir.
Desoderia nickte, schloss die Augen und murmelte die Worte, die ihren Dämon befreiten. Er schoss so schnell aus ihrem Körper, dass sie taumelte. Eine graugrüne Wolke, die sich rasch materialisierte. Er bot ein beeindruckendes Bild. Groß und breit wie ein Bär, mit steinharten Muskeln und unterarmlangen Hörnern. Die Haut so schwarz wie Onyx. Amirs Dämon war nur halb so groß wie Desoderias, dafür aber nicht weniger gefährlich. Sein spitzes Vogelgesicht war mit grünschuppiger Haut bedeckt. Statt Arme hatte er Flügel, die Federn spitz und scharf wie eine Klinge. Die Beine zwei krumme, dürre Glieder auf einem Fuß, der statt Zehen über eine handlange Kralle verfügte. Kämpfer und Zerstörer. Gemeinsam begannen sie, die Tür zu bearbeiten. Der Schatten waberte unruhig um sie herum, suchte nach einer Lücke, durch die er hindurchgleiten konnte. Wenn er wie zufällig Desoderia streifte, fühlte sie, wie Kälte durch ihre Glieder strömte, die ihr alle Kraft raubte. Angestrengt versuchte sie, den Schatten ihrem Willen zu unterwerfen. Er revanchierte sich mit Bildern von Philippe und seinem Tod. Seit wann bewahrten Schatten Erinnerungen an ihren ehemaligen Träger?
Amir hatte sichtlich Mühe, die geistige Verbindung zu seinem Escort zu halten und zugleich den Schatten zu befehligen. Sein Gesicht war bleich wie ein Wintermorgen. Schweißperlen glänzten auf seiner Stirn.
Das Haus erzitterte unter der geballten Kraft der Dämonen und Escorter, die gemeinsam versuchten, den Schutzbann zu brechen. Die Fenster klirrten unheilvoll, erste Risse zeigten sich im Glas. Zwar konnte Desoderia sich nicht bewegen, doch innerlich grinste sie.
Der Schutz würde nicht mehr lange halten.
* * *
Gleichzeitig fuhren Doreé und David aus dem Schlaf. Das Haus wackelte. Ein Erdbeben? Nicht in der Slowakei.
»Was ist das?«, stieß Doreé panisch hervor.
»Sie sind hier.« Äußerlich blieb David ruhig, doch Doreé sah das ängstliche Flackern in seinem Blick.
»Scheiße, was sollen wir jetzt tun?« Hektisch blickte
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