ESCORTER (German Edition)
Missgeburt«, schrie sie, als die Finsternis über ihre Wange floss und sich um Jaromirs Arme zu wickeln begann. Aus den Augenwinkeln sah sie, wie Amir den alten Mann am Hals packte und seinen Dolch in dessen Bauch versenkte. Obwohl er ein Clanchef war, trug er keinen Zwillingsdolch, was Desoderia mit einer gewissen Häme zur Kenntnis nahm.
Amir schien es nicht zu stören. Mit einem dreckigen Grinsen auf den Lippen blickte er auf den alten Mann hinab.
»Grüß deine Frau von mir.«
Statt einer Antwort spuckte ihm Jaromir ins Gesicht. Amirs Augen verengten sich vor Zorn. Er riss die Klinge heraus, nur um sie ein weiteres Mal in Jaromirs Leib zu stoßen und sogleich ein drittes Mal. Desoderia verdrehte die Augen. Dieser Idiot. Blind vor Wut hatte Amir nicht einmal bemerkt, dass der alte Mann genau das gewollt hatte, damit er schneller starb. Der Clanchef presste die Lippen aufeinander und beobachtete, wie das Licht in Jaromir Mazurs Augen erlosch. Ein Anblick, den er wie alle Escorter genoss.
Als Jaromir schließlich erschlaffte und zusammensackte, ließ er ihn achtlos auf den Boden fallen.
»Wo ist deine Tochter?«, fragte er an Desoderia gewandt.
Sie sah sich um. »Ich weiß es nicht.«
»Dann finde es heraus, verdammt!« Er deutete auf ihren Bauch. »Muss ich dich erst wieder an das Band erinnern?«
Mit einem lauten Fluch wandte er sich Oliver, Marina und Olivia zu, die aus den Zimmern getreten waren. »Durchsucht das Gelände.«
Desoderia stieg über den toten Jaromir hinweg, schlug dabei nach dem Schatten, der sie weiterhin bedrängte, und folgte dem Flur bis zu einem Raum am hinteren Ende. Dort konnte sie deutlich Doreés Gegenwart spüren. Bis vor Kurzem hatte Ihre Tochter sich hier aufgehalten. Sie konnte nicht weit sein.
Desoderia schloss die Augen, nahm die Aura des Hauses und ihrer Bewohner in sich auf und versuchte, die ihrer Tochter herauszufiltern. Doreé hatte das Zimmer verlassen, war in den Flur gerannt, doch dann verlor sich die Spur, verpuffte wie weggezaubert.
Ihr Blick fiel auf den Läufer zu ihren Füßen. Mit den Fußspitzen ertastete sie die Fugen im Boden, lauschte dem leisen Knarzen, das sich von dem weiter vorn unterschied. Vorsichtig schob sie den Teppich zur Seite.
Eine Falltür verziert mit aramäischen Schutzzeichen. Sie hatten die Verbindung geschwächt.
Amir blickte ihr über die Schulter. »Hervorragend.«
Er ging in die Hocke, zog an dem Eisenring und öffnete den Schacht. Mit einem verschlagenen Grinsen deutete er in die Tiefe. »Ladys first.«
* * *
Doreés keuchender Atem hallte durch die Stille. Schier endlos zog sich der Tunnel dahin und wurde dabei immer enger. Mittlerweile konnten sie nur noch geduckt laufen. Glücklicherweise litt sie nicht unter Klaustrophobie. Im Lichtkegel der Taschenlampe offenbarte sich verwittertes, grob behauenes Gestein, was nicht gerade vertrauenserweckend wirkte.
»Wo endet der Gang?«, wollte Doreé wissen.
»Direkt außerhalb der Stadt«, erwiderte David.
»Und was machen wir, wenn wir dort sind?«
»Weitergehen.«
Das klang nach einem ziemlich miesen Plan. »Vielleicht sollten wir uns ein Versteck suchen.«
David schnaubte. »Du kannst dich nicht verstecken, nur weglaufen.«
Sein verächtlicher Tonfall ärgerte sie. »Wir können aber auch nicht ewig weglaufen«, konterte sie. »Früher oder später werden sie uns einholen.«
David hielt abrupt inne, hob den Kopf und lauschte. »Sie haben den Tunnel entdeckt.«
Nun hörte Doreé es ebenfalls. Stimmen und Schritte. Ihre Verfolger bemühten sich nicht einmal, leise zu sein.
»Scheiße! Und was nun?«
Sorge huschte über Davids Gesicht. »Wir gehen weiter.«
David legte einen Schritt zu, rannte nun fast durch den finsteren Gang. Doreé folgte ihm schweigend. Ihr Herz raste, was weniger an dem Tempo lag, das David vorgab, als vielmehr an ihrer Angst. Hatten sie überhaupt eine Chance? Und was war mit Davids Vater? Lebte er noch?
David richtete die Taschenlampe nach vorn und deutete auf eine Biegung. »Da hinten geht es nach draußen.«
Doreé nickte. »Okay. Dann schnell.«
Vielleicht hatten sie draußen bessere Chancen, ihre Verfolger abzuhängen. Der Gedanke trieb sie weiter, bis sie die Kälte bemerkte. Der Tunnel war nicht warm, doch der eisige Hauch, der hinter ihr herankroch, hatte keinen natürlichen Ursprung. Ängstlich blickte sie über die Schulter. Nichts als Finsternis und weit entfernte, zuckende Lichter.
Bildete sie sich die Kälte nur
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