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Esel

Esel

Titel: Esel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Gantenberg
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eigentlich ist mir noch nie etwas Negatives zu Lucca eingefallen; dass es ausgerechnet die Bilder sein können, fällt mir erst hier ein, wo es keine gibt.
    Ich liege auf dem Bett und starre an die Decke. So langsam ärgere ich mich über Karin. Erst reagiert sie auf nichts, und dann kommt sie mir mit ihrem halbgaren Eselswissen. Und was ist mit mir? Warum fragt sie mich nicht, wie es mir geht? Oder warum sagt sie mir nicht, wie es ihr geht? Ohne mich.
    Warum? Warum? Warum?
    Karin hat ein Konzept, einen Plan. Und wer einen Plan hat, der will etwas erreichen oder verhindern, in jedem Fall hat er eine aktive Absicht. Nur welche? Ich kann nicht noch eine Nacht ohne Schlaf verbringen.
    Es klopft an die Tür. Bitte nicht. Ich weiß genau, wer es ist – Sabine.
    Sie schweigt nur, um mich in Sicherheit zu wiegen, auf diesen Trick falle ich nicht herein. Es klopft erneut. Gerade mal acht Uhr, um diese Zeit schläft niemand. Wenn ich nicht antworte, wird sie glauben, dass ich unterwegs bin. Aber wo sollte ich hier unterwegs sein.
    Poch. Poch. Poch.
    Sie hat Geduld, das muss man ihr lassen – oder ist das nur Hartnäckigkeit?
    Poch. Poch. Poch.
    Nein, sie ist komplett durch den Wind. Sie bekommt nichts mehr mit. Noch nicht mal, dass ich nicht da bin oder jedenfalls so tue, als ob.
    Poch. Poch.
    Da, ihre Kräfte schwinden. Nur noch ein zweimaliges Klopfen.
    Poch.
    Ein Mal!
    Po…
    Stille. Ich werde jetzt nicht den Fehler machen und aufstehen, um zu sehen, ob sie weg ist. Ich werde mich noch nicht mal umdrehen, aus Angst, dass eines der Lattenrostelemente ein Geräusch erzeugt, das ich bereuen werde. Ich liege wie ein Kunde der Pathologie. Mein Oberkörper bewegt sich nur vorsichtig auf und ab. Ich bin ein Meister der Flachatmung.
    Stille.
    Draußen schreit ein Tier. Sabine muss sich gezeigt haben. Die Tierwelt reagiert. Jetzt könnte ich es wagen, aufzustehen. Es ist wirklich noch zu früh, um zu schlafen. Ein Bier oder zwei mit Günter, das wäre es. Ich muss es wagen.
    Ganz langsam schleiche ich zur Tür und lehne mein Ohr an das Holz. Nichts ist zu hören, selbst die Tiere draußen schweigen wieder. Die Kernkompetenz der Uckermark zeigt sich – der Osten ist ruhig.
    Ganz langsam drücke ich die Klinke der Tür. Kein Geräusch, kein Quietschen, nichts. Herrlich.
    Auf dem Flur ist niemand zu sehen, ich habe lange genug gewartet. Alles richtig gemacht. Nur zur Sicherheit schaue ich auf Sabines Tür, so, als ob man auf diese Weise erkennen könnte, was dahinter passiert. Kann man natürlich nicht, aber erahnen. Und ich erahne nichts. Wunderbar. Entweder ist auch sie eine Meisterin der Flachatmung, oder sie schläft, oder sie ist unterwegs.
     
    Jetzt kann ich den Flur entlangmarschieren. Jeder Schritt verschafft mir Erleichterung und das sichere Gefühl, dass nichts mehr passieren kann. Jetzt noch die Treppe nach unten. Alte Eiche, sehr rustikal, nett. Jetzt noch einmal links, einmal rechts, und schon bin ich im Gästezimmer, der guten Stube. Keine Eiche, aber auch nett.
    Niemand da.
    »Günter?«, rufe ich vorsichtig.
    Keine Antwort.
    »Günter?«, rufe ich etwas lauter.
    »Der ist nicht da, der hat ’ne Sitzung oder so was!«
    Ich fahre herum und sehe – die Stimme. Frisch geduscht, frisch gefönt, bester Laune.
    »Soll ich uns ein Bier holen? Günter hat mir gesagt, wir dürfen überall ran, sollen nur alles aufschreiben.«
    Das kann doch nicht wahr sein. Günter! Der kann mich doch hier nicht allein lassen. Mit Sabine. Ein Pensionswirt trägt Verantwortung für seine Gäste. Immer.
    »Björn, alles klar?«
    »Ja. Alles klar.«
    »Also: ein Bier?«
    »Ja.«
    »Sollen wir nachher was spielen? Günter hat so eine Spielekiste mit Mühle, Halma, Malefiz?«
    Ich muss unbedingt mit Karin sprechen.
    »Wir können aber auch nur quatschen, oder?«, schlägt die Stimme aus dem Hintergrund vor.
    »Ja, nur quatschen.«
    »Ich bin froh, dass wir uns kennengelernt haben, Björn.«
    »Ich auch. Echt.«
    Warum kommt Günter nicht von seiner Sitzung, oder wo auch immer er ist, zurück? Warum? Warum? Warum?
    Liebe Uckermark, wenn du der Grund für das alles hier bist, dann habe ich einen gut bei dir. Aber du kannst nichts dafür. Es muss andere Gründe geben, irgendwo sind sie vergraben, und ich muss sie finden, weil mir sonst der Schädel platzt.
    Ich habe Ferien, und mit jedem Tag werde ich kaputter. Ich kenne nur den gegenteiligen Verlauf, und genau da muss ich wieder hin.
    »Alles klar, Björn?«
    »Nein.«

15. Irgendwann im

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