Esel
erwartet.
»Müssen wir die Nacht hier verbringen?«
»Ich geh’ davon aus.«
»Aber das geht doch nicht.«
»Sag das nicht mir, sag das Markus.«
Sabine nickt, sie weiß, dass ich recht habe, und sie weiß, dass sie Markus niemals sagen wird, dass das alles hier nicht geht. Nicht für sie, nicht für mich, noch nicht mal für die Esel, die seltsam ruhig sind, obwohl sie gerade den Esel-Weltrekord im Dauerduschen brechen.
»Scheißwetter.«
Markus flucht beim Reinkommen und schüttelt den Regen von seiner Jacke.
Hinter ihm erscheint nun Marie.
»Sie ist nass.«
Sabine und ich nicken. Ja, sie ist nass, das stimmt.
»Die holt sich sonst was. Heute Nacht bleibt sie hier.«
Wir nicken.
»Was ist mit euren Eseln?«
Wir nicken, was jetzt nicht so passend ist.
»Ich hab euch was gefragt.«
»Ach so, ja, unsere Esel … ich weiß nicht … ähm, vielleicht … tja …«, stottere ich wie ein unvorbereiteter Lehramtskandidat bei seiner Examensprüfung.
»Wenn ich eins hasse, dann Menschen, die Tiere quälen. Da könnt’ ich draufkloppen, aber so was von. Ich krieg’ schon wieder Puls.«
Sabine und ich springen synchron auf.
»Wir holen sie auch schnell rein.«
Sabines Stimme schrillt durch den Stall, während wir beide Richtung Ausgang hasten.
»Seid ihr bekloppt?«
Wir bleiben abrupt stehen und drehen uns ganz langsam zu Markus um.
»Die passen doch nicht alle hier rein. Wie soll das denn gehen? Das ist doch keine Tiefgarage hier. Mann!«
Nicken ist wieder angesagt.
»Wir dachten nur, von wegen Tiere quälen und so«, versuche ich zaghaft, unsere Aktivität zu begründen.
»Was ist denn daran quälen? Esel sind das gewohnt. Esel sind Draußen-Tiere. Hamster sind Drinnen-Tiere. Aber da draußen stehen Esel und keine Hamster, oder wie?«
»Esel. Nur Esel«, antworte ich tapfer.
»Und Esel sind?«
»Draußen-Tiere.«
»Ja, Draußen-Tiere. So!«
Und das sagt Markus, während er Marie mit einer Jacke trockenreibt. Mit meiner Jacke, wie ich jetzt feststellen muss.
»Klar«, sagt Sabine.
»Mhm«, füge ich hinzu.
»Wollt ihr da stehen bleiben, oder was? Das nervt mich. Kann ich nicht haben. Setzt euch. Mann!«
Wir setzen uns. Ziemlich schnell – und warten darauf, was sich dieser völlig durchgeknallte Mensch nun einfallen lässt.
Markus fährt mit meiner Jacke sorgfältig über das Hinterteil von Marie. Ich werde diese Jacke nie wieder anziehen. Lieber erfriere ich.
»Da!«
Markus wirft mir die klamme Jacke zu. Ich kann sie so schnappen, dass sie mich fast nicht berührt.
»Zieh an, wird kalt heute Nacht.«
»Och, ich frier’ nicht so schnell.«
»Anziehen!«
Ich ziehe sie an und rieche im selben Moment wie Marie.
»Geht doch.«
Markus ist zufrieden. Dass mich nun mehr fröstelt als zuvor, möchte ich ihm lieber nicht sagen.
»Bist du müde?«
Endlich kümmert sich Markus auch mal um Sabine.
»Kommt drauf an«, antwortet sie.
»Was? Wie? Ich hab’ doch ’ne klare Frage gestellt. Oder nuschel ich?«
»Nein, überhaupt nicht, im Gegenteil, Sie haben eine sehr klare Aussprache.«
»Willst du mich verarschen?«
»Nein, um Gottes willen, nein.«
Sabine ist jetzt sehr nervös.
»Und worauf kommt das nun an, ob du müde bist oder nicht?«, will Markus wissen.
»Kommt drauf an, ob wir noch was machen und so. Wenn wir noch was machen wollen, dann bin ich nicht müde. Wir können also gerne noch was machen.«
»Hast du sie noch alle?« Markus scheint sich wieder aufzuregen. »Du musst doch wissen, ob du müde bist.«
»Ja. Ich bin müde.«
Sabine scheint zu überlegen, ob das die richtige Antwort war oder ob sie noch schnell etwas hinzufügen sollte.
Markus nickt, sie hat die richtige Antwort gegeben. Sabine lächelt mich an, als hätte sie gerade bei Günter Jauch gewonnen.
»Scheiße! Und du?« Markus zeigt auf mich.
»Ich auch.«
Ich denke, kurze Antworten sind das, was Markus hören will. Und wahrscheinlich auch das, was er am besten versteht.
»Scheiße.«
Die kurze Antwort war genau richtig. Manchmal ist es doch gut, eine Lehrerausbildung zu haben. Ich weiß genau, wann ich Menschen überfordere.
Markus läuft jetzt auf und ab. »Dann schlaft jetzt. Ich pass’ auf.«
Worauf? Auf uns, auf sich, auf die Esel. Oder nur Marie?
Sabine und ich schauen uns um, außer den Strohballen gibt es hier nichts, wo man sich hinlegen könnte.
»Was ist? Worauf wartet ihr noch. Schlaft endlich!«
Wir nicken, darin sind wir jetzt geübt. Und dann simulieren
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