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Eselsmilch

Eselsmilch

Titel: Eselsmilch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: J Mehler
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holte Dora ihre Reiseapotheke
heraus, die sie in ihrem ohnehin prall gefüllten Rucksack auch zur
Stadtbesichtigung mitgenommen hatte, und bereitete einen Umschlag aus diversen
Salben. Zugunsten eines schnelleren Erfolges von Doras Heilbehandlung schlug
Otto einen kühlenden Wickel vor, dessen sich Elke annahm. Das Marschgepäck der
Reiseleiterin gab ein Handtuch und eine kleine Flasche Mineralwasser her, mehr
war nicht vonnöten, um Fannis linken Knöchel feuchtkalt zu umwickeln.
    »Prima«,
rief Dora, »ganz prima. Damit verhindern wir das Anschwellen.« Während sie
sprach, warf sie Sprudel verwunderte Blicke zu, denn der starrte seit einigen
Sekunden wie gebannt auf die Sohlen von Fannis Schuhen.
    »Abfahrt«,
rief Elke drängend. »Jetzt sofort. Wir haben es wirklich sehr eilig.«
    Als
der Touristenbus eine halbe Stunde später vor dem Hotel Agalan anhielt,
tätschelte Hubert Seeger Fanni die Hand. »Memsahib bleibt auf Polster sitzen.
Memsahib ruht sich aus. Boy bringt Gepäck.«
    Elke
mahnte erneut zur Eile.
    »Es
geht schon auf halb vier zu«, quengelte sie. »Und vor uns liegt noch der ganze
Weg nach Oukaimeden.« Sie wandte sich an Fanni. »Aber selbst wenn wir hier noch
ein Stündchen Pause machen könnten, würde dir das nicht viel nützen, weil du
sowieso keine Möglichkeit hättest, dich richtig hinzulegen. Die Zimmer mussten
wir ja schon am Morgen räumen.«
    Allerdings,
dachte Fanni, und schon am Morgen habe ich mich gefragt, warum unser Gepäck in
der Lobby gesammelt und nicht gleich in den Bus geladen wurde. Dann hätten wir
nicht noch mal hierherkommen müssen.
    Die
Antwort auf diese nicht ausgesprochene Frage zeigte sich schon kurz darauf in
Gestalt eines Trekkingguides aus dem hohen Atlas sowie eines ansehnlichen
Hügels aus Kartons, Plastiktüten und Stoffbündeln.
    »Hassan«,
erklärte Elke, »wird uns von jetzt an bis zum Ende des Trekkings begleiten. Und
was da soeben in den Bus geladen wird, ist ein Teil unserer Ausrüstung und des
Proviants. Den Rest bringen unser Koch und die Mulitreiber mit, die wir in
Oukaimeden treffen werden.«
    Von
ihrer provisorischen Liegestatt im Bus aus sah Fanni zu, wie Taschen und
Rucksäcke, Pakete und Bündel allmählich im Stauraum unterhalb der
Sitzplatzreihen verschwanden. Als nur noch vereinzelte Gepäckstücke vor den
offenen Klappen standen, löste sich Sprudel aus dem Pulk der Helfer und stieg
zu Fanni in den Bus.
    Er
stellte sich in die Sitzreihe hinter ihr, beugte sich über die Lehne und nahm
ihre Hand. »Wie fühlst du dich?«
    Fanni
hätte am liebsten »beschissen« geantwortet. Ihre Schulter und ihr Handgelenk
schmerzten wieder, in ihrem lädierten Knöchel pochte es.
    Sie
hatte keine Ahnung, wie sie morgen die erste Marschstrecke bewältigen sollte,
und in ihrem Kopf hatte sich ein hartnäckiger Wicht eingenistet, der wissen
wollte, warum sie innerhalb von knapp vierundzwanzig Stunden zweimal in Gefahr
geraten war, tödlich verletzt zu werden. Aber Sprudel machte sich ohnehin schon
genug Sorgen.
    »Es
geht«, sagte sie deshalb. »Ich hoffe, der Knöchel beruhigt sich bald.«
    »Wir
werden sehen«, erwiderte Sprudel. »Und wenn es mit dem Laufen nicht …«
    »Dann
reitet Memsahib eben auf einem Muli«, unterbrach ihn Hubert, der soeben
eingestiegen war.
    Dora
drängte ihn zur Seite und begann, den Salbenumschlag zu erneuern.
    Elke
hatte, obwohl sie als Letzte in den Bus kam, Huberts Ausspruch offenbar gehört.
Sie zählte kurz die Reisegruppe durch, gab dem Fahrer das Zeichen zur Abfahrt
und sagte dann zu Fanni: »Die Mulis wären eine Option, für einige Wegabschnitte
jedenfalls. Aber nicht für die ganze Strecke. Eine andere Möglichkeit wäre,
dich direkt in die Gîte d’Etape nach Aroumd zu bringen, wohin wir anderen in
drei Tagen kommen werden.«
    Bevor
Fanni etwas einwenden konnte, fuhr sie fort: »Andererseits könnte es ja auch
sein, dass du dich morgen früh schon wieder besser fühlst. Unsere erste
Wegstrecke ist weder besonders lang noch besonders anstrengend. Außerdem wird
es unterwegs viele Pausen geben, in denen du dich und den Fuß ausruhen kannst.
Sollen wir es einfach darauf ankommen lassen?«
    Fanni
nickte.
    Eineinhalb
Stunden später erreichten sie Oukaimeden, den Ausgangspunkt des Trekkings und den
laut Reiseführer höchstgelegenen Wintersportort Afrikas.
    Fanni
starrte entgeistert aus dem Busfenster.
    Das
Kaff heißt Oukaimeden, nicht Davos und nicht St. Moritz!
    Das
Kaff sollte Müllkippe heißen, dachte Fanni

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