Eselsmilch
liegst wie auf dem Präsentierteller.«
»Trotzdem«,
beharrte Fanni.
»Vielleicht
wollte Gisela einfach mal wieder mit ihren Bekannten aus dem Deggendorfer
Landkreis zusammen sein, wenn sie und Bernd schon nicht für sich allein sein
können«, meinte Sprudel.
Fanni
nickte. Die Erklärung hörte sich einleuchtend an.
»Hat
Gisela Nachrichten von zu Hause?«, fragte sie. »Von Toni? Weiß sie etwas über
Marthas … Rückkehr?«
Sprudel
bejahte. »Sie hat offenbar mehrmals mit Toni telefoniert. Inzwischen scheint er
auch offiziell über den Unfall informiert worden zu sein, und dabei hat man ihm
wohl mitgeteilt, dass sich Martha im gerichtsmedizinischen Institut befindet.«
Auf Fannis fragenden Blick fügte er hinzu: »Über den genauen Unfallhergang hat
wohl auch Toni nichts erfahren.«
Während
sich Fanni und Sprudel unterhielten, war Dora heruntergekommen. Sie hatte ihre
Salben und eine elastische Binde mitgebracht. Mit einem theatralischen Seufzer
ließ sie sich auf der Couch nieder, nahm Fannis Bein auf den Schoß und begann,
den Wickel zu lösen.
»Wir
legen einen Stützverband an, damit du auftreten kannst. Aber übertreib es
nicht.«
Widerstandslos
ließ sich Fanni den Verband anlegen, der ihr jedoch viel zu straff erschien.
Da
kannst du dir ebenso gut Giselas Stiefel ausleihen!
Fanni
dankte Dora herzlich, ohne sich anmerken zu lassen, wie lästig ihr die Bandage
war.
»Es
gibt eine ganz neu eingebaute Etagendusche auf dem Gang oben, wo die Zimmer
sind«, sagte Dora. »Momentan herrscht da ziemlicher Andrang, aber falls du
später duschen möchtest, kann ich dir gern dabei helfen.«
Fanni
lehnte das Angebot höflich ab.
Sprudel
würde für sie da sein, falls sie jemanden brauchte. Sprudel würde sich das
sowieso nicht nehmen lassen, aber Fanni wollte auch niemand anders als Helfer
haben.
Allein
schon deshalb nicht, weil Sprudel nach dem Duschen den Verband so anlegen wird,
dass er nicht überall zwickt und zwackt!
»Schön«,
sagte Dora, klopfte sachte auf Fannis bandagierten Knöchel und erhob sich.
»Dann werde ich mal nachsehen, wann ich an der Reihe bin.«
Sprudel
hatte mittlerweile an der Theke zwei NusNus geholt und auf den niedrigen Tisch
gestellt. Nun nahm er Doras Platz auf dem Sofa ein und legte Fannis Beine quer
über seine Knie.
Es
war warm und gemütlich in der Sofaecke. Eine ganze Weile saßen sie schweigend
da und nippten an ihrem Milchkaffee. Ihre Reisegefährten befanden sich alle im
ersten Stock, beim Duschen, beim Auspacken, beim Frischmachen. Vielleicht hatte
sich der eine oder andere auch aufs Bett gelegt und hielt ein Nickerchen.
Fanni
konnte geradezu hören und sehen, wie es in Sprudel brodelte.
Er
weiß, dass ich die Treppe nur deshalb hinuntergestürzt bin, weil etwas mit
meinen Schuhsohlen nicht in Ordnung war, dachte sie. Er hat sie sich im Bus ja
angesehen. Während der Fahrt hierher hatte er Zeit, darüber nachzudenken, was
davon zu halten ist. Und gleich muss ich ihm sagen, wie der Sturz letztlich
ausgelöst worden ist.
Aber
das möchtest du hinauszögern!
Ja,
gab Fanni zu.
Wie
lange würde es denn dauern, bis Sprudel klar war, dass es nur jemand aus der
Reisegruppe gewesen sein konnte, der wollte, dass Fannis Kopf auf einer der
Marmorstufen aufschlug? Einen Lidschlag? Zwei? Fanni wettete auf einen. Sprudel
würde sofort erfassen, dass dort auf dem Treppenabsatz ein Fremder aufgefallen wäre
wie ein Hirsch in der Ziegenherde, weshalb nur einer der Mitreisenden dafür in
Frage kam, sie angerempelt zu haben.
Angerempelt!
Warum
nicht?, überlegte Fanni. Wegen der glatten Sohlen musste ich überaus langsam
und vorsichtig gehen. Alle, die nach mir aus dem Entree kamen, hatten bis zum
Treppenabsatz längst zu mir aufgeholt, drängten sich dort zusammen. Einer von
ihnen hat sich an der Nase gekratzt und mich dabei mit dem Ellbogen in den
Rücken getroffen – völlig unabsichtlich, aus Versehen sozusagen.
Mach
dir nichts vor, Fanni! Der Stoß kam gezielt, du weißt es genau!
Sie
merkte, dass Sprudel zum Sprechen ansetzen wollte, und legte ihm schnell die
Hand auf den Arm.
Falls
es sich wirklich so verhält, dass es jemand aus der Gruppe auf mein Leben
abgesehen hat, dachte sie, könnte er in der Nähe sein, um zu lauschen, zu
beobachten, neue Hinterlist auszutüfteln.
Aufmerksam
sah sie sich um.
In
der Gîte gab es an diesem Tag offensichtlich nur wenige andere Gäste. Einer der
beiden kleinen runden Tische in der Mitte der Halle war von drei jungen
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