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Eselsmilch

Eselsmilch

Titel: Eselsmilch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: J Mehler
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betreten, der zur Treppe führte, rutschte sie weg.
    Ihre
Schuhsohlen gebärdeten sich plötzlich, als wären sie in Schmierseife getaucht
worden. Fanni schlitterte kreuz und quer, viel schlimmer, als sie es bei Gisela
im Bahia-Palast beobachtet hatte.
    Erschrocken
schaute sie auf ihre Füße. Hatte sie versehentlich Giselas Schuhe angezogen?
    Hast
du nicht! Du bist ja noch nicht völlig plemplem!
    Nein,
so irre war sie tatsächlich nicht, ihre plumpen Treter mit hochhackigen Lackstiefeln
zu verwechseln. Fannis Füße steckten in ihren eigenen Schuhen, die sich aber
urplötzlich in Schlittschuhe verwandelt zu haben schienen.
    Stabilität
erhoffend steuerte sie auf eine der Wände zu und lavierte daran entlang.
    Viel
lieber hätte sie sich an Sprudel festgehalten, doch der war bereits ins
Erdgeschoss geeilt, wo sich die Toiletten befanden. Erst am Ausgang würde sie
wieder mit ihm zusammentreffen. Auch Olga befand sich nicht in ihrer Nähe;
Fanni hätte sie sonst gebeten, sich bei ihr einhängen zu dürfen.
    Suchend
schaute sie sich um. Gar niemand war in ihrer Nähe. Aus dem Entree drangen
Stimmen, anscheinend waren die meisten gerade dabei, ihre Senkel zu schnüren.
Bereits im nächsten Moment musste eine ganze Traube auf dem Flur erscheinen.
    Warte,
bis sie kommen! Inzwischen ziehst du besser einen Schuh aus und siehst nach,
was auf einmal mit der Sohle los ist!
    Fanni
tastete sich weiter. Die Vorstellung, umringt, bemuttert, geführt und gestützt
zu werden, war ihr peinlich. Wenn sie sich auf jeden ihrer Schritte
konzentrierte und die Wand als Haltegriff benutzte, würde sie es wohl auch
alleine schaffen.
    Gerade
mal fünf oder sechs Meter bis zu den Treppen, dachte sie. Ein paar Stufen
hinunter, und schon bin ich unten im Erdgeschoss, wo der Boden rau ist und mehr
Halt bietet – und wo Sprudel auf mich wartet.
    Sie
befand sich kurz vor der Treppe, als sie eilige Schritte den Flur
herunterkommen hörte. Irgendjemand war also bereits im Anmarsch. Sie schaute
sich nicht um, gab angespannt Acht, auf den Füßen zu bleiben.
    Die
rechte Hand an der Wand, brachte sie die ersten Stufen hinter sich. Die
Schritte, die sie zuvor gehört hatte, waren inzwischen ganz nah und hatten
offenbar auch Gesellschaft bekommen, denn hinter sich hörte sie es schlurfen
und klappern und widerhallen.
    Fanni
querte einen Absatz und wollte gerade die nächsten Stufen in Angriff nehmen, da
wurde sie von hinten gestoßen.
    Ihre
Hand rutschte von der Wand ab, ihre Füße drifteten über den Treppenabsatz
hinaus, und sie fiel.
    Doch
bevor ihr Sturz an Schwung zulegen konnte, fühlte sie sich gepackt und an eine
Brust gepresst.
    »Fanni«,
keuchte Sprudel. »Mit dem Kopf auf eine marmorne Stufenkante aufzuschlagen, das
wäre absolut … absolut …«
    »Ungesund«,
sagte Hubert.
    Die
Gruppe staute sich auf dem Treppenabsatz. Stimmen riefen durcheinander.
»Hinuntergestürzt ist sie!« – »Ist jemand verletzt?« – »Wer ist denn
gestürzt?« – »Warum gehen wir nicht weiter?«
    Fanni
hatte sich mit fürsorglicher Unterstützung von Sprudel aufgerichtet und
versuchte, wieder auf eigenen Füßen zu stehen. Aber ein brennender Stich
durchfuhr ihren linken Knöchel.

6
    Fanni
war von Sprudel – assistiert von Hubert und Dora Seeger – im
Touristenbus auf eine Sitzreihe gebettet worden.
    Gleich
nach dem Sturz hatten sich natürlich auch alle anderen um sie geschart. Olga
wollte sie stützen und festhalten, war jedoch von den Seegers abgedrängt
worden. Ebenso war es Antje Horn ergangen und gleichermaßen Gisela, die
allerdings eher erleichtert darüber gewesen zu sein schien.
    Einzig
Otto Brügges schroffes Auftreten hatte Hubert und Dora für ein paar Augenblicke
aus Fannis unmittelbarer Nähe verscheucht. Otto hatte sich als ausgebildeter
Sanitäter zu erkennen gegeben und Fannis schmerzenden Knöchel gründlich
begutachtet.
    Ottos
Chance, zu Fannis Betreuer zu avancieren, war freilich vertan, als sich seine
Diagnose auf ein Schulterzucken beschränkte.
    Auf
diese oder jene Art hatte jeder seine Hilfe angeboten, nur Melanie hatte sich
erkennbar abseits gehalten und das Gewusel um Fanni misstrauisch beäugt.
    Letztendlich
hatte Fanni dann, halb getragen von Sprudel und Hubert, den kurzen Weg vom
Restaurant zum wartenden Bus hinter sich gebracht.
    Nun
saß sie in der ersten Sitzreihe, lehnte mit dem Rücken am Fenster, und ihre
Beine ruhten ausgestreckt auf dem Platz neben ihr.
    Zum
zweiten Mal in weniger als vierundzwanzig Stunden

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