Eselsmilch
durchleuchten, deren Namen ich ihr gegeben habe.«
Weil
Sprudel nichts erwiderte, sprach sie weiter: »Sie wird die Namen bei Google
eingeben.«
Googeln
heißt das!
Fanni
stöhnte lautlos. »Sie wird die Namen googeln.«
Unbedacht
verlagerte sie ihr Gewicht auf dem Hocker, was zur Folge hatte, dass der
Kanister umkippte. Sprudel stellte ihn wieder auf und verkeilte ihn mit ein
paar Steinen.
»Leni
tippt beispielsweise ›Melanie Fuchs‹ in ihren Computer ein«, sagte Fanni,
nachdem ihr Knöchel wieder auf seinem Unterbau ruhte. »Wenn wir Pech haben,
erscheint dann nicht einmal ein Telefonbucheintrag. Mit einer Portion Glück
aber arbeitet Melanie in einer Firma, die mit sämtlichen Mitarbeitern im
Internet auftritt, sodass Leni vielleicht mit einem Anruf bei einer von Melanies
Kolleginnen herausbekommen kann, ob sie Familie hat, wer ihre Eltern sind und
so weiter. Mit einem Haufen Glück hat Melanie irgendwann mal etwas
veröffentlicht, und ihr gesamter Lebenslauf erscheint. Und mit einer Unmenge
Glück könnte Melanie in einem von diesen Foren aufzustöbern sein: Facebook,
Twitter oder was es da so alles an Web-Kommunikation gibt, wo die Beteiligten
ihr halbes Leben ausbreiten.«
Fanni
sah Sprudel eindringlich an. »Schau, es geht doch in erster Linie darum,
möglichst viel über unsere Reisegefährten herauszubekommen. Querverbindungen zu
mir – aus denen sich ein Motiv ableiten ließe – können wir ja dann
selbst herstellen.«
Sprudel
nickte zögerlich, wagte aber dann doch einzuwenden: »Hat Melanie nicht erwähnt,
dass sie aushilfsweise in einer Gärtnerei arbeitet? Ich fürchte, über ihre
Karriere wird sich nicht viel googeln lassen.«
Sprudel
will halt schleunigst mit dir nach Hause! Er hat ja auch vollkommen recht! Und
weißt du, warum? Weil der ganzen Sache das Gleichgewicht fehlt: Die Bedrohung,
der du hier ausgesetzt bist, ist sehr konkret, sehr nahe, sehr echt. Dagegen
wirkt eure Ermittlungsarbeit wie ein Umherirren im Dunkeln!
Fanni
wollte Sprudel keine Gelegenheit geben, weiterzusprechen und ihrer
Gedankenstimme Futter zu geben, deshalb sagte sie eilig: »Leni übernimmt die
Recherchearbeit gern. Und ich habe mit ihr ausgemacht, dass wir beide versuchen
werden, am Samstag über Internet Kontakt mit ihr aufzunehmen. Sie hat mir genau
erklärt, wie wir dabei vorgehen müssen.«
Ȇber
Internet?« Sprudels Stimme klang verwundert.
»Von
Samstag auf Sonntag werden wir in einer Gîte in Aroumd Quartier beziehen«,
belehrte ihn Fanni. »Aroumd ist der Ausgangspunkt für sämtliche Touristen, die
den Toubkal besteigen wollen. Meinst du nicht, dass es in dem Ort einen
öffentlichen Zugang zum World Wide Web geben muss?«
9
Die
beiden folgenden Tagesetappen bis zu dem Flusstal, in dem Aroumd, das letzte
Dorf auf der Route zu Marokkos höchstem Berg, dem Toubkal, lag, erwiesen sich
als unschwierig (ja geradezu gemütlich), als relativ kurz – und sie
vergingen ohne den kleinsten Zwischenfall.
Unter
Sprudels aufmerksamen Augen wanderte Fanni gemächlich und letztendlich auch
schmerzfrei dahin, denn irgendwann hatte ihr Knöchel endgültig aufgehört zu
pochen.
Auf
Wegen, die sich in der Nähe von Dörfern zu Fahrstraßen verbreiterten, fand sie
sich oft in Gesellschaft von Olga, manchmal in der von Elke wieder.
Zwischendurch holte mal der eine, mal der andere aus der Gruppe zu ihr auf oder
ließ sich zu ihr zurückfallen und fragte nach ihrem Befinden. Anfangs nutzte
Fanni die daran anknüpfenden Gespräche, um Antworten auf die Fragen zu finden,
die ihr auf den Nägeln brannten.
Als
aber ein weiterer Tag ebenso wie die dritte Nacht im Zelt ereignislos verlief,
begann sich unmerklich ein Schleier über das Geschehene auszubreiten. Die
stille Landschaft, die Schlichtheit des Lebensstils, die Ruhe, die wie eine
Decke über allem lag, verführten dazu, einfach zu vergessen. Von Zeit zu Zeit
schien es Fanni, als wären nie Mordanschläge auf sie verübt worden, als hätte
sie das alles nur geträumt und Martha wäre einem zwar schrecklichen, jedoch
beliebigen Unfall zum Opfer gefallen.
Im
gleichen Ausmaß, in dem die Erregung abflaute, kroch jedoch die Trauer um
Martha hervor. So kam es, dass Fanni und Sprudel meist gleich nach der Ankunft
auf dem Zeltplatz das Camp wieder verließen und irgendeinen Berghang
emporstiegen, wo sie sich einen windstillen Platz suchten und wo Fanni Tränen
um Martha vergoss, während Sprudel sie in den Armen wiegte.
Am
Samstag, den 15. Oktober, gegen Mittag,
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